Heft 
(1955) 7
Seite
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ALBERT HOPPE

J3te Blöcken üon Bofceroto

Die Naturgewalten formen die Gestalt einer Landschaft und prägen ihr äußeres Antlitz, ihreSeele jedoch entspringt der Schöpferkraft des Menschen. Viele Äußerungen solchen geistigen Schaffens offenbaren sich dem aufmerksamen Beobachter. Eine ihrer schönsten, die eine Landschaft recht lebendig macht, ist die Sagenwelt. Unsere Prignitz birgt diesen Schatz in reichster Fülle. Er umrankt manche Bergkuppe, alte Grabhügel und Opfersteine, er ist lebendig an Wegekreuzungen und verschwiegenen Stätten der Heimat, er raunt geheimnisvoll in Flurnamen und an unter­gegangenen Siedlungsstätten, er umweht mit seinem Zauber alte Rat­häuser und feldsteinerne Dorfkirchen. Manche dieser Sagen sind offen­sichtlich der bloßen Phantasie, eine der schönsten Gaben des menschlichen Geistes, entsprungen. Andere sind aus dem Mythos der Religionen und auch aus dem Aberglauben der mittelalterlichen Weltanschauung geboren, noch andere aber haben erregende örtliche oder geschichtliche Ereignisse der Vergangenheit als Grundlage. Manche dieser sagenumwobenen Stätten letzterer Art haben ihr Geheimnis entschleiert, wie es bei demHinzerberg von Seddin und demTeufelsberg bei Wolfshagen der Fall ist, andere aber hüten und verhüllen dieses Geheimnis noch heute und lassen Ursprung und Deutung nicht erkennen.

Heute soll eine Sage zu uns sprechen, deren äußeres Wahrzeichen zu einem der markantesten Punkte unserer Prignitzer Landschaft und zu einem der eindrucksvollsten Zeugen unserer heimatlich-dörflichen Kultur gehört, die vom stumpfen Turm zu Boberow und von dem Geschick der einst für sie bestimmten Boberower Glocken.

Tief hat sich in das uralte Antlitz unserer Prignitzer Heimat in grauen Vorzeiten eine Falte eingegraben, von Boberow hinunter reichend bis nach Lenzen. Das liebliche Nausdorf liegt anmutig in diesem langen Einbruch und zwischen Rambower und Rudower See die torfige Wiesensenke, beid­seitig umrahmt von hohen Hängen. Dunkle Kiefernwälder ziehen sich auf dem Westhang über den beiden Seen und den Wiesengründen empor; lange Flurbreiten, durchsetzt mit ödstrecken und einzelnen Waldbeständen geben dem Osthang das Gepräge. Dieser ist eindrucksvoll unterbrochen und belebt durch das einsame alte Bauerngehöft mit dem geheimnisvollen Namen Leuengarten, das über den mit grasendem Vieh belebten Koppeln des Hanges breit und strohgedeckt auf der Höhe daliegt. Nach Süden hin öffnet sich die Senke zum alten Urstromtal der Elbe. Nach Norden hin jedoch ist sie rund eingeschlossen vom hohen Steilrand der urzeitlichen

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