Um 1850, als die Pliasterung der Straßen einsetzt, werden mit dem Entstehen der Dorfziegeleien die Strohdächer durch Dachpfannen verdrängt und die Fachwerke mit Backsteinen ausgesetzt.
Wie bei allen Siedlungsperioden beobachten wir auch hier ein festes, planvolles Schema sowohl in der Haus- und Hofform wie in der Dorf- und Wirtschaftsform. Dieser Kolonisationsperiode entspricht als Siedlungstype der Rundling, da der mittelalterliche Bauer wesentlich Viehzüchter war und in Zeiten der Gefahr sein Vieh in die Mitte des Angers nehmen und den Dorfeingang verbarrikadieren konnte. Desgleichen weisen Steinmauern und Wehrkirchen vielerorts auf diese Verteidigungsbereitschaft hin. Daß der Rundling nur eine historische Durchgangsstufe war, bezeugt die regionale wie historische Begrenzung. Je mehr die Kolonisation sich zur Oder verlagerte und das Hauptausbreitungsgebiet an der Elb-Saalelinie zum Hinterland wurde, wich der Rundling dem Straßendorf. Aber noch heute erkennen wir die langhalsige Zufahrt. Wir sehen, wie sich der Rundling verkehrsfeindlich, wie ein Igel sich aufrollend, an die vorbeiführenden, einst ungepflasterten Zugwege legt. Häufige Dorfbrände der strohbedachten und schornsteinlosen Fachwerke ließen es ratsam erscheinen, einen Feuerweg hinter den Gehöften herumlaufen zu lassen. Erst allmählich lockert sich das starre Rundlingsschema zur Dreieckform wie Bresch oder zum Angerdorf wie Siggelkow, dessen durchlaufende Straße die Verkehrsfeindlichkeit aufgibt.
Die Wirtschaftsform ist die der Gewannwirtschaft, der Brach- oder Feldgraswirtschaft. Die Felder lagen im Gemenge, d. h. der Acker wurde in jedem Frühjahr anteilmäßig neu vermessen, wobei die gesamte Markgenossenschaft gemeinsam über die Verteilung von Brache und Fruchtfolge beriet. In mehrjährigem Wechsel folgten der Brache Hafer, Witterroggen oder Weizen. Wege zu den Ackerschlägen gab es nicht, also mußten sich alle Flurgenossen dem Flurzwang unterwerfen. 1800 lagen beispielsweise in der Prignitz 10 Prozent in 3jähriger, 1,7 Prozent in äjähriger, 24 Prozent in ßjähriger, 11,4 Prozent in 9jähriger und 4 Prozent in 12jähriger Brache. Der Ernteertrag war ein Viertel des heutigen. Trotzdem war die Brachwirtschaft gegenüber der wilden Feldgraswirtschaft der Völkerwanderungszeit ein riesiger Vorsprung. Zu regulärer Düngung mit Stallmist ging man erst 1765 über, als man das Vieh nicht mehr in den „Upställen“ und „Nachtkoppeln“ über Sommer draußen ließ, sondern es in Stallfütterung nahm. Kühe, Schafe, Pferde, Schweine wurden von Schäfern, Kuh- und Schweinehirten-, ja selbst von Bauernkindern Tag und Nacht draußen gehütet, da Koppelzäune unbekannt waren. Vor allem die Schafe bildeten bei dem Großteil an Brache bis in das 16. Jahrhundert hinein das Rückgrat der Landwirtschaft. Die Wolle nahmen die Wollwebergilden der Städte, die Schafmilch kam auf den Markt. Die städtische Butterversorgung war gutsherrliches Privileg. Der Bauer brauchte seine Rinder ledig-
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