Heft 
(1955) 8
Seite
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Um 1850, als die Pliasterung der Straßen einsetzt, werden mit dem Ent­stehen der Dorfziegeleien die Strohdächer durch Dachpfannen verdrängt und die Fachwerke mit Backsteinen ausgesetzt.

Wie bei allen Siedlungsperioden beobachten wir auch hier ein festes, plan­volles Schema sowohl in der Haus- und Hofform wie in der Dorf- und Wirtschaftsform. Dieser Kolonisationsperiode entspricht als Siedlungstype der Rundling, da der mittelalterliche Bauer wesentlich Viehzüchter war und in Zeiten der Gefahr sein Vieh in die Mitte des Angers nehmen und den Dorfeingang verbarrikadieren konnte. Desgleichen weisen Stein­mauern und Wehrkirchen vielerorts auf diese Verteidigungsbereitschaft hin. Daß der Rundling nur eine historische Durchgangsstufe war, bezeugt die regionale wie historische Begrenzung. Je mehr die Kolonisation sich zur Oder verlagerte und das Hauptausbreitungsgebiet an der Elb-Saale­linie zum Hinterland wurde, wich der Rundling dem Straßendorf. Aber noch heute erkennen wir die langhalsige Zufahrt. Wir sehen, wie sich der Rundling verkehrsfeindlich, wie ein Igel sich aufrollend, an die vorbei­führenden, einst ungepflasterten Zugwege legt. Häufige Dorfbrände der strohbedachten und schornsteinlosen Fachwerke ließen es ratsam erschei­nen, einen Feuerweg hinter den Gehöften herumlaufen zu lassen. Erst allmählich lockert sich das starre Rundlingsschema zur Dreieckform wie Bresch oder zum Angerdorf wie Siggelkow, dessen durchlaufende Straße die Verkehrsfeindlichkeit aufgibt.

Die Wirtschaftsform ist die der Gewannwirtschaft, der Brach- oder Feld­graswirtschaft. Die Felder lagen im Gemenge, d. h. der Acker wurde in jedem Frühjahr anteilmäßig neu vermessen, wobei die gesamte Mark­genossenschaft gemeinsam über die Verteilung von Brache und Fruchtfolge beriet. In mehrjährigem Wechsel folgten der Brache Hafer, Witterroggen oder Weizen. Wege zu den Ackerschlägen gab es nicht, also mußten sich alle Flurgenossen dem Flurzwang unterwerfen. 1800 lagen beispielsweise in der Prignitz 10 Prozent in 3jähriger, 1,7 Prozent in äjähriger, 24 Prozent in ßjähriger, 11,4 Prozent in 9jähriger und 4 Prozent in 12jähriger Brache. Der Ernteertrag war ein Viertel des heutigen. Trotzdem war die Brach­wirtschaft gegenüber der wilden Feldgraswirtschaft der Völkerwande­rungszeit ein riesiger Vorsprung. Zu regulärer Düngung mit Stallmist ging man erst 1765 über, als man das Vieh nicht mehr in denUpställen und Nachtkoppeln über Sommer draußen ließ, sondern es in Stallfütterung nahm. Kühe, Schafe, Pferde, Schweine wurden von Schäfern, Kuh- und Schweinehirten-, ja selbst von Bauernkindern Tag und Nacht draußen gehütet, da Koppelzäune unbekannt waren. Vor allem die Schafe bildeten bei dem Großteil an Brache bis in das 16. Jahrhundert hinein das Rück­grat der Landwirtschaft. Die Wolle nahmen die Wollwebergilden der Städte, die Schafmilch kam auf den Markt. Die städtische Butterversor­gung war gutsherrliches Privileg. Der Bauer brauchte seine Rinder ledig-

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