mit aller Strenge verlangte. Mit ebensolchem Nachdruck und mit Androhung von Repressalien forderte der Graf von Schwerin dagegen die Freigabe seiner Gefolgsleute! Der arme Rat war in Nöten. Diplomatie kommt manchmal in Zwangslagen, wenn man zwischen die Politik zweier Großmächte gerät. — Wie’s hier ausging, vermeldet der Chronist nicht.
Geld macht gierig. „Je mehr er hat, je mehr er will“. Und so erdachte die Kirche immer neue Einnahmequellen. Das Volk zahlte willig, denn es war damals leiblich und geistig hörig, — dem Junker und dem Klerus. Die ertragreichste Einnahmequelle war das Sündenvergeben, das Loskaufen von aller Schuld. Hier war der finanzielle Erfolg am meisten gesichert, denn hier war eine negative Bilanz naturgemäß am wenigsten beweisbar. Und so erfand man in Wilsnack zu dem üblichen Ablaßhandel eine originelle Neueinrichtung, die sogenannte Sündenwaage. Ein Instru- ^ ^ naent also, mit dem man die Sünden regelrecht wiegen konnte. Der zeit- • genössische Chronist und Havelberger Domherr Mathäus Ludekus (Mathias Lüdke), der später in Perleberg sein heute noch stehendes schmuckes Altenteilshaus baute, berichtet uns davon. Um dig verschieden zahlungsfähigen und sorgfältig abtaxierten Sünder entsprechend büßen zu lassen und das Honorar individuell abzustufen, war diese Waage mit einer sinnvollen Einrichtung versehen. Ludekus schreibt darüber, daß auf der einen Seite der Waage der Sünder saß, auf der anderen aber Brot, Speck, Viktu- alien, Gold und Silber gelegt werden mußten. Der Sakrist und der Wiegemeister hätten dabei aber einen betrüglichen Strick gehabt und mit demselben die erste Schale unvermerkt am Boden gehalten, bis das Aequiva- lent, das sind die zu erlegenden Gaben, genügend gewesen wäre.
1539 kam die Reformation, die Folge dieser Auswüchse, auch in unsere Prignitz. Der Menschenstrom, der über 150 Jahre nach Wilsnack gezogen war, verebbte. Martin Luther wollte das Kind mit dem Bade ausschütten. In seiner Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ verlangte er, daß man die Wunderblutkirche in Wilsnack „bis auf den Boden zerstöret“. Zu unserer Freude geschah es nicht. (Wohl aber passierte es der reich ausgestatteten Kapelle „St. Marien ufm Berge“ bei Lenzen). Luthers Widerpart in der Prignitz war Petrus Conradi, der letzte Repräsentant des alten Glaubens auf dem bischöflichen Stuhl in Havelberg. Dieser zähe Bauernsohn aus Gr. Lüben setzte es durch, daß noch über 10 Jahre nach der hiesigen Einführung der Reformation die Hostien gezeigt und die Wallfahrer bedient wurden. Oft kam er nach Wilsnack, um die geistliche Handlung persönlich zu tun. Da faßte sich am 28. Mai 1552 der junge Wilsnacker Prediger Joachim Ellefeld ein Herz. In Gegenwart des Schulmeisters Weber und des Küsters Bremer verbrannte er in einer Kohlenpfanne die Hostien. Das Wunder war zu Ende! —
Dem Joachim Ellefeld kam die Tat teuer zu stehen. Am hellen Tage ließ ihn Petrus Conradi durch den Hauptmann der Plattenburg aus der Stadt
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