FRIEDELHARRASCHAIN
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Wenn ein Bauwerk entsteht, das Jahrhunderte überdauern soll, dann ist es üblich, im Fundament eine Kassette einzumauem, die der Nachwelt durch eingelegte Zeitungen, Münzen, Denkschriften etc. ein anschauliches Bild der damaligen Zeit zu geben vermag. Im Wilsnacker Kirchturmknopf sind ebenfalls solche Zeitdokumente aufbewahrt, u. a. ein Brief, der zur Jahrhundertwende geschrieben und somit vor rund 150 Jahren an uns gerichtet wurde. Bei der Neuvergoldung des Knaufs wurde eine Abschrift von ihm angefertigt, die hier mit wenigen Weglassungen und etwas der Neuzeit angeglichenen Schreibweise unseren Lesern zur Belustigung wie zur Besinnung dienen möge:
,.Entsetzen und Schauder faßt mich, wenn ich, o dunkelheilige Zukunft, vor dein Angesicht trete. Staub und Moder wir alle, die wir itzt leben, wir alle, mit unseren Kindern und Enkeln bis auf die Namen vergessen! Eine neue Gestalt der Dinge! Königreiche und Völker, Länder und Städte verwandelt! Nur Gott und die Natur ewig, erhaben über alle Wechsel, ewig milde und segenvoll. Das Menschengeschlecht erneuert! Sprache und Sitten veredelt in Erkenntnis, verfeinert in Luxus — nur in seinen Torheiten sich selbst immer gleich. Welch ein Bild — welch ein Drang von Ideen. Entsetzen und Schauder faßt mich, wenn ich, o dunkelheilige Zukunft, vor dein Angesicht trete.
Doch dieser hohe Flug meiner Phantasie macht mich schwindeln, als säße ich selbst auf der Turmesspitze, die dieses Blatt verwahren soll. Steige lieber zu mir herab, liebe Nachwelt, und laß uns hier an der Erde gemächlich miteinander kosen.
Ich weiß zwar wohl, du hörest immer am liebsten etwas Neues, aber für dieses Mal mußt du dir schon gefallen lassen, etwas Uraltes zu hören. Das Neue laß dir von deinen Zeitungen sagen, dagegen bürge ich dir für die Wahrheit dieses Alten . . .
Du sollst also wissen, daß, nachdem Sturm und Wetter unsere Kirche zum Hl. Blute sehr beschädigt hatten, von den Herren Patronen eine Erneuerung der Dächer veranstaltet und zugleich der Turm mit einer neuen Wetterfahne versehen worden ist. Möge sie uns und dir immer gut Wetter bringen und nie ein Blitzableiter werden.
Die gegenwärtige politische Gestalt der Dinge dir zu erzählen, wäre eine sehr undankbare Arbeit. Die kannst du aus jeder alten Chronik nehmen. Aber weil ich fürchte, daß dich ebenfalls die Chroniken wie uns anekeln, welche überdies nicht alles fassen, was ich dich gerne wissen lassen möchte,
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