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Deutsche Rundschau.
„Also abgelehnt."
„Nein, nicht abgelehnt. Ich will thun, was in meinen Kräften steht, aber es kann nur ein ganz Geringes sein. Schon aus äußerlichen Gründen. Ich bin im Amt, und der Weg bis Holkenäs ist nicht allzu nah, so wird sich das „bei Gelegenheit", wovon Sie sprachen, nicht allzu oft einstellen können. Aber die Hauptschwierigkeit ist doch immer die Gräfin selbst. Ich habe kaum eine Dame kennen gelernt, der ich eine größere Verehrung entgegenbrächte. Sie gesellt zu den Vorzügen einer vornehmen Dame zugleich alle Tugenden einer christlichen Frau. Sie will jeden Augenblick das Beste, das Pslichtmäßige, und diesen ihren Anschauungen von Pflicht eine andere Richtung zu geben, das ist außerordentlich schwer. Unsere Kirche, wie Sie wissen und wie ich zum Ueberfluß auch schon andeutete, gestattet nichts als Rath, Zuspruch, Bitte. Mehr oder weniger ist Alles in Spruchanslegung gelegt, was dem Meinungskampse Thür und Thor öffnet. Und dazu kommt noch, die Gräfin ist nicht bloß sehr bibelfest, sie hat auch die ganze Kraft Derer, die nicht links und nicht rechts sehen, keine Con- cessionen machen und durch Starrheit und Unerbittlichkeit sich eine Rüstung anzulegen wissen, die besser schließt als die Rüstung eines milden und liebevollen Glaubens. Mit Widerspruch ist ihr nicht beizukommen und noch weniger mit überlegener Miene."
„Gewiß. Auch kann ich nur wiederholen: es muß sich Alles wie von ungefähr ergeben."
„Alles, Was ich thun kann, ist — Wenn ich mich als halber Schulmeister, der ich jetzt bin, auf ein etwas gelehrt klingendes Wort ausspielen darf — ein prophylaktisches Verfahren. Verhütung, Vorbauung. Ich will mir Geschichten zurecht legen, Geschichten aus meinem früheren Pfarrleben — in welche Verschlingungen und Verirrungen gewinnt man nicht Einblick! — und will versuchen, diese Geschichten still Wirken zu lassen. Ihre Frau Schwester ist in gleichem Maße phantasievoll und nachdenklich; das Phantasievolle wird ihr das Gehörte verlebendigen, und ihre Nachdenklichkeit wird sie zwingen, sich mit dem Kern der Geschichte zu beschäftigen und sie so vielleicht zunächst zu einem Wandel der Anschauung und Weiterhin zur Selbstbekehrung führen. Das ist Alles, was ich versprechen kann. Ein sehr langsames Verfahren und vielleicht ein Aufwand von Kraft, der in keinem Verhältniß steht zu dem, was dabei herauskommt. Aber ich Will mich meiner Aufgabe wenigstens nicht entziehen, weil ich ein Einsehen habe, daß es nöthig ist, innerhalb vorsichtig zu ziehender Grenzen irgend etwas zu thun."
„Abgemacht, Schwarzkoppen; ich Hab'Ihr Wort. Und damit gut. Zudem, die Zeit ist günstig für das, was wir Vorhaben. Holk erwartet in etwa vier Wochen seine Citirung zur Prinzessin nach Kopenhagen, und dann ist er fort bis Weihnachten. In der zwischenliegenden Zeit bin ich oft drüben, um, wie herkömmlich, Wenn Holk in Kopenhagen ist, in Wirtschaft und Buchführung nach dem Rechten zu sehen; ich werde mich, wenn ich hinüberfahre, regelmäßig erst mit Ihnen benehmen und anfragen, ob Sie mich begleiten können. Auch das möcht' ich noch sagen dürfen, allemal wenn er fort ist, ist sie in einer Weichen und beinah zärtlichen Stimmung, und die große Liebe, die sie früher für ihn hegte und die sie