Heft 
(1891) 66
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Deutsche Rundschau.

Aber gerade diese spöttische Behandlung, die der Gräfin zeigen sollte, daß sie das Alles mal wieder viel zu wichtig nähme, steigerte nur ihren Ernst, und so sagte sie denn, ohne auf die Gegenwart der Dobschütz, die ohnehin eine Ein­geweihte war, Rücksicht zu nehmen:Ich bitte Dich, Helmuth, verzichte doch endlich darauf, eine ernsthafte Sache ins Scherzhafte zu ziehen. Ich erheitere mich gern .

Pardon, Christine, das'scheint feit gestern Deine Parole."

Ich erheitere mich gern," wiederholte sie,aber Alles zu seiner Zeit. Ich verlange keine Zustimmung von Dir, ich verlange nur eine feste Meinung, sie braucht nicht einmal begründet zu sein. Sage, daß Du Herrn Strehlke für ausreichend hältst, und daß Dir Elisabeth Petersen lieber ist als ein ganzes Pensionat junger Damen, ich werde Beides nicht glauben, aber ich werde mich unterwerfen und schweigen. Nur freilich nenne das nicht Erziehung . ."

Ach. liebe Christine, das ist nun mal Dein Steckenpferd oder eins aus der Reihe davon, und wenn Du nicht als Baronesse Arne geboren wärest, so wärest Du Basedow oder Pestalozzi geworden und könntest Schwarzkoppen als Seminar- director ablösen. Oder Wohl gar sein Jnspicient werden. Erziehung und immer wieder Erziehung. Offen gestanden, ich für meine Person, glaube nicht an die Wichtig­keit all dieser Geschichten. Erziehung! Auch da ist das Beste Vorherbestimmung, Gnade. In diesem Stück, so gut lutherisch ich sonst bin, stehe ich zu Calvin. Und falls Calvin Dich verdrießt, beiläufig auch eine von Deinen höheren Gesinnungscapricen, so laß mich Dir einfach das alte Sprichwort sagen:wie man in die Wiege gelegt wird, so wird man auch in den Sarg gelegt". Erziehung thut nicht viel. Und wenn dann schon von Erziehung die Rede sein soll, so ist es die, die das Haus gibt." Die Gräfin zuckte leis mit den Achseln, Holk aber sah darüber hin und fuhr fort:Haus ist Vorbild, und Vorbild ist das Einzige, dem ich so was wie erziehliche Kraft zuschreibe. Vorbild und natürlich Liebe.

Und ich liebe die Kinder, darin werd' ich doch hoffentlich Deinen Beifall finden,

und sie jeden Tag zu sehen, ist mir Bedürfniß."

Es handelt sich, Helmuth, nicht um das, wessen Du bedarfst, sondern es handelt sich um das, wessen die Kinder bedürfen. Du siehst die Kinder nur

beim Frühstück, wenn DuDagbladet" und beim Thee, wenn Du dieHam­

burger Nachrichten", liest und bist verstimmt, wenn sie sprechen oder Wohl gar eine Frage an Dich richten. Es ist möglich, daß Dir die Nähe der Kinder ein gewisses Wohlgesühl gibt, aber es ist damit nicht viel anders als mit der Zucker­dose da, die regelmäßig rechts von Dir stehen muß. wenn es Dir wohl sein soll. Du bedarfst der Kinder, sagst Du. Glaubst Du, daß ich ihrer nicht bedarf, hier in dieser Einsamkeit und Stille, darin ich nichts habe als meine gute Dobschütz? Aber das Glück meiner Kinder gilt mir mehr als mein Behagen, und das, was die Pflicht vorschreibt, srägt nicht nach Wohlbefinden."

Holk strich mit der Linken über das Tischtuch, während er mit der Rechten die Zuckerdose drei-, viermal auf- und zuknipste, bis die Gräfin, die bei diesem Tone jedesmal nervös wurde, die Dose bei Seite schob, was er ruhig geschehen ließ. Denn er begriff vollkommen, daß solche schlechte Angewohnheit schwer zu ertragen sei. Mehr noch, der ganz geringfügige Zwischenfall gab ihm seine gute Laune wieder.