Heft 
(1891) 66
Seite
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Deutsche Rundschau.

lange mehr machen wird, ein paar Weintrauben, die wir heute früh geschnitten haben. Aber sie muß gleich wieder da sein; Hanna hilft mit draußen aus dem Feld. Und nun trinkst Du mit mir ein Glas Malvasier. Das ist Damen­wein."

Und dabei schob er die aufgeschlagene Bibel nach rechts, einen Kasten mit Alterthümern aber (denn er war ein Alterthümler wie die meisten schleswig'- schen Pastoren) weit nach links hin und stellte zwei Weingläser aus seinen Arbeitstisch.

Laß uns anstoßen. Ja, worauf? Nun, auf ein frohes Weihnachten."

Ach, das ist noch so lange."

Ja Dir. Aber ich rechne anders . . Und daß das Christkind Dir Alles erfüllt, was Du auf dem Herzen hast."

Ihre Gläser klangen zusammen, und im selben Augenblicke trat auch Elisa­beth ein und sagte:Da muß ich doch mit anstoßen, wenn ich auch nicht weiß, Wem es gilt."

Und nun erst begrüßten sich die jungen Mädchen, und Asta gab an Elisa­beth die Notenmappe zurück und sprach ihr dabei den Dank ihrer Mutter für das schöne Lied aus, das sie gestern Abend gesungen.

Dies wurde nur so hingesprochen, denn während Asta die Bestellung aus­richtete, beschäftigte sich ihr Auge schon mit den zahlreichen numerirten Dingen, kleinen und großen, die den archäologischen Kasten füllten. Das Eine,', was sie sah, schien Golddraht zu sein, Golddraht in einer großen Spirale.

Warum ist es von Gold?" fragte Asta.Es sieht ja aus wie eine Sopha-Sprungfeder."

Der Alte vergnügte sich darüber und sagte ihr dann, 'es sei was Besseres, ein Schmuckstück, eine Art Armband, das vor zweitausend Jahren eine damalige Comtesse Asta getragen habe.

Asta freute sich und nickte, und Elisabeth, die von diesen Dingen mehr kannte, als ihr lieb war, denn sie war wie der Custos der Sammlung, setzte ihrerseits hinzu:Und wenn nach wieder zweitausend Jahren Deine kleine Huf- eisen-Broche gefunden wird, dann, das kann ich Dir versichern, wird es auch Vermuthungen und Feststellungen geben . . Aber nun komm, Asta, wir wollen den Großpapa und seine Studirstube nicht länger stören."

Und damit nahm sie Asta's Arm und ging mit ihr über den Flur auf eine Pforte zu, die direct nach dem Kirchhof hinaus führte. Nur wenige Schritte noch, dann kamen sie bis an einen breiten Querweg, der zwischen Gräbern hin auf die alte Feldsteinkirche zulief, einen srühgothischen Bau ohne Thurm, der für eine Scheune hätte gelten können, wenn nicht die hohen Spitzbogenfenster gewesen Wären mit ihrem dichten kleinblättrigen Epheu, der sich bis unter das Dach hinaufrankte. Die Glocke hing unter ein paar Schutzbrettern an der einen Giebelseite der Kirche, während an der andern ein niedriges Backsteinhaus an­gebaut war, mit kleinen Fenstern und jedes Fenster mit zwei Eisenstäben. Einige der Grabsteine, die hier in Nähe der Kirche besonders zahlreich waren, reichten mit ihrem Kopfende bis dicht an die Gruft heran, denn eine solche war der Anbau, und auf einen dieser Grabsteine stieg nun Asta und sah neugierig