Unwiederbringlich.
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durch die kleinen eisenvergitterten Fenster. Dabei lehnte sie sich mit der Hand gegen einen losen Mauerstein, der sich dadurch nach hinten schob und einen anderen Halbstem, der auch schon lose war, zum Umkippen brachte, so daß er mit Gepolter in die Grust hinabstürzte.
Asta fuhr zurück und sprang von dem Grabstein herab, auf dem sie gestanden. Elisabeth war mit erschrocken, und erst als sie Beide den unheimlichen Platz und gleich darnach auch den Kirchhof selbst verlassen hatten, erholten sie sich und fanden ihre Sprache wieder. Draußen, an der Kirchhofsmauer hin, lagen große Massen geschnittener Bretter und Balken, was nicht Wunder nehmen konnte, denn parallel mit der Kirchhofsmauer und nur durch einen breiten Fahrweg von ihr getrennt, zog sich ein langer, mit kurzem Gras überwachsener Holz- und Zimmerplatz hin, auf dem beständig norwegische Hölzer geschnitten wurden. Auch in diesem Augenblicke wieder lag ein roh mit der Axt behauener Baumstamm aus zwei hohen Holzböcken, und ein paar Zimmerleute, von denen der eine oben, der andre unten stand, sägten mit einer großen, in ihrer Arbeit immer blanker werdenden Holzsäge den Stamm entlang. Beide Mädchen sahen emsig hinüber, und die Nähe der Menschen, dazu der lebendige Ton der Arbeit, that ihnen Wohl nach dem Grauen, von dem sie sich Angesichts der zerbröckelnden Gruft soeben noch berührt gefühlt hatten.
Es war ein sehr anheimelnder Platz; die Brennnesseln, die sonst hier wucherten, waren niedergetreten, und so saßen die beiden Freundinnen bequem und behaglich auf den hochaufgeschichteten Brettern und hatten die Balken als Fußbank und die Kirchhossmauer als Rücklehne.
„Weißt Du," sagte Asta, „die Mama hat doch Recht, daß sie von der Gruft nichts wissen will und eine Scheu hat, sie zu betreten. Es ist sa, als wäre jeder Stein lose, und als warte Alles nur darauf, daß es zusammenstürze. Und zweimal im Jahre geht sie doch hin und legt ihren Kranz auf den Sarg, an seinem Geburtstag und an seinem Sterbetage."
„Kannst Du Dich denn Deines Bruders Estrid noch erinnern?"
„O, gewiß kann ich. Ich war ja schon sieben Jahr."
„Und ist es wahr, daß er nicht bloß Estrid hieß, sondern auch noch Adam?"
„Ja. Die Mama wollte freilich, daß er als zweiten Namen den Namen Helmuth führen sollte wie der Vater, Estrid Helmuth, — Tante Dobschütz hat es mir oft erzählt; der Papa aber bestand auf Adam, weil er gehört hatte, daß Kinder, die so heißen, nicht sterben, und da habe denn die Mama gesagt (ich Weiß das Alles von Tante Julie) das sei Heidenthum und Aberglauben, und es werde sich strafen, denn der liebe Gott lasse sich nichts vorschreiben, und es sei lästerlich und verwerflich, ihm die Hände binden zu wollen."
„Ich kann mir denken, daß Deine Mutter so gesprochen hat. Und es hat sich ja auch gestraft. Aber ich finde doch, Asta, daß Deine Mutter in all dem zu streng ist, und der Großpapa, der sie doch so sehr liebt und sie getraut hat — was übrigens der Arnewieker Pastor damals sehr übel genommen haben soll — und der nichts Besseres kennt als seine „liebe Christine," wie er sie
noch immer nennt, und Deinen Papa nennt er ja auch noch „Du" von alten
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