Heft 
(1891) 66
Seite
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164 Deutsche Rundschau.

Zeiten her, ... der sagt doch auch, sie sei zu sicher auf ihrem Wege und zu streng gegen Andre . ."

Ja, das sagen Alle, Dein Großpapa sagt es, und Director Schwarzkoppen sagt es, und Onkel Arne sagt es. Und wenn Axel und ich es auch nicht hören sollen, wir hören es doch und machen so unsre Betrachtungen drüber . ."

Und Wem kommen denn Eure Betrachtungen zu gute?"

Immer der Mama."

Das wundert mich eigentlich. Ich dachte, Du wärest Deines Vaters Ver­zug und Liebling. Und liebtest ihn am meisten."

O, gewiß Hab' ich ihn lieb; er ist so gut und erfüllt uns jeden Wunsch. Aber die Mama meint es doch viel besser mit uns, und deshalb ist sie strenger; Alles bloß aus Liebe."

Ich habe Dich nicht immer so sprechen hören, Asta. Es ist noch keine Woche, daß Du voller Klagen und säst voll Bitterkeit warst, und daß Du sagtest, es sei mit der Mama kaum noch zu leben, und Alles schlüge sie Dir ab, und Alles sei so wichtig, als ob Leben und Seligkeit daran hinge . ."

Ja, das werd' ich Wohl gesagt haben. Aber wer klagte nicht mal! Und dann ist es oft so still hier, und dabei wird man traurig und will es anders haben ... Sieh', ich denk' es mir so, die Mama bedrückt uns oft, aber sie sorgt doch auch für uns, und der Papa erfreut uns jeden Augenblick, aber im Ganzen kümmert er sich nicht recht um uns. Er ist mit seinen Gedanken immer wo anders und die Mama immer bei uns. Wenn es nach dem Papa ginge, so ginge Alles so ruhig weiter, bis Jemand käme und mich haben wollte. Comtesse Holk, rothblond und gerade gewachsen und etwas Vermögen ich glaube, das ist Alles, was ihm vorschwebt, und davon verspricht er sich das Beste. Daß ich auch eine Seele habe, daran denkt er nicht, vielleicht glaubt er nicht 'mal daran."

Wie Du nur sprichst. Er wird doch glauben, daß Du eine Seele hast?"

Vielleicht. Ich weiß es nicht. Und das ist der Unterschied von der Mama. Die glaubt bestimmt daran, und Will, daß ich Etwas lernen und einen festen Glauben gewinnen soll,einen Anker für die Stürme des Lebens", wie sie sagt, und ich wäre glücklich darüber, wenn ich nicht von Dir fort müßte. Solche Freundin wie Du, die sind' ich in der Welt nicht wieder."

Aber Du wirst doch nicht fort wollen, Asta? Und um was denn? Ist denn nicht die Dobfchütz eine kluge Dame und lieb und gut dazu? Und Du kannst ja Französisch parliren, daß es eine Lust ist, und Strehlke hat ja zwei Preise gewonnen, einen in Kopenhagen über die Strandvegetation in Nordschleswig und einen in Kiel über Quallen und Seesterne. Und daß er Geographie weiß, chas Weiß ich, er wußte ja neulich das Lustschloß vom König von Neapel, so daß ihm selbst Dein Onkel Arne gratulirte. Was willst Du denn noch mehr lernen? Das nehm' ich Dir übel, wenn Du so viel mehr lernen willst als ich, und wenn Du dann wieder kommst, ist kein Verkehr mehr mit mir. Und ich will doch mit Dir Verkehren, denn ich liebe Dich ja so sehr. Und Deine Mama, wenn sie Dich fortgibt, wird Dich gewiß in eine große Schweizerpension geben wollen."

Nein, in eine kleine Herrnhuterpension."