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Deutsche Rundschau.
aber, auf der letzten Terrassenstufe, standen die Gräfin und das Fräulein, bis sie, nach kurzem Verweilen an dieser Stelle, wieder unter die höher gelegene Säulenhalle zurücktraten, um von hier aus dem Schiffe bequemer folgen zu können. Zugleich sahen sie nach dem Pier hinunter, auf dem jetzt die Geschwister gemeinschaftlich herankamen, anscheinend in lebhaftem Gespräch. Erst am Strande trennten sie sich wieder, und während Axel auf Mövenjagd in die Dünen einbog, stieg Asta die Terrasse hinauf.
Als sie oben war, schob sie eine Fußbank neben den Platz der Mama, nahm die Hand derselben und versuchte zu scherzen. „Es war Capitän Brödstedt, der fuhr, ein schöner Mann, und soll auch, wie mir Philipp erzählt hat, eine bildschöne Frau haben, von der es heißt, er habe sie sich von dem Bornholmer Leuchtthurm heruntergeholt. Es ist doch eigentlich schade, daß man, um bloßer Standesvorurtheile willen, einen Mann wie Capitän Brödstedt nicht heirathen kann."
„Aber, Asta, wie kommst Du nur auf solche Dinge?"
„Ganz natürlich, Mama. Man hat doch auch so seine zwei Angen und hört allerlei und macht seine Vergleiche. Da nimm einmal den guten Seminar- director, der eine Adlige zur Frau hatte; nun ist er freilich Wittwer. Ja, Du Wirst doch zugeben, Mama, daß Schwarzkoppen noch lange kein Brödstedt ist. Und Schwarzkoppen ginge noch, aber Herr Strehlke . ."
Beide Damen lachten, und als die Mama schwieg, sagte das Fräulein: „Asta, Du bist Wie ein junges Füllen, und ich sehe zu meinem Schrecken, daß Dir die Schulstunden fehlen. Und Was Du da nur sprichst, als ob gesellschaftlich ein Unterschied zwischen einem Manne wie Brödstedt und einem Manne wie Strehlke wäre."
„Gewiß ist ein Unterschied. Das heißt nicht für mich, für mich ganz gewiß nicht, das kann ich betheuern. Aber für Andere ist ein Unterschied. Sieh Dich doch nur um. Ich für mein Theil habe noch nie von einer Heirath zwischen einem Dampfschiffs capitän und einer Comtesse gehört; aber soll ich Dir an meinen zehn Fingern all' die Hauslehrer und Candidaten aufzählen, die hier herum . ."
„Es ist schon das Beste, Asta, wir verzichten auf alle Vergleiche."
„Mir recht," lachte diese. „Aber eine Leuchtthurmstochter sein und von einem Manne wie Capitän Brödstedt von einem Leuchtthurm hernntergeholt zu werden, das ist doch hübsch und eigentlich ein leibhaftiges Märchen. Und Alles, Was Märchen ist, ist meine Schwärmerei, meine Passion, und die Geschichte „vom tapsern Zinnsoldaten" ist mir viel viel lieber als der ganze siebenjährige Krieg!" Und bei diesen Worten erhob sie sich wieder von ihrer Fußbank und ließ die beiden Damen allein, um sich nebenan an den Flügel zu setzen. Gleich danach hörte man denn auch eine Chopin'sche Etüde, freilich nicht recht flüssig und mit vielen Fehlern.
„Wie kam Asta nur zu solcher Bemerkung? Ist es bloß Uebermuth oder was sonst? Was führt sie in ihrem Gemüth so sonderbare Wege?"
„Nichts, was Dich ängstigen könnte," sagte die Dobschütz. „Wär' es das, so würde sie zu schweigen wissen. Ich lebe mehr mit ihr als Du und bürge