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Deutsche Rundschau.
Holk Würde sich diesem Anblick noch voller hingegeben haben, wenn nicht das Leben ans der Chaussee, d'raus sie hinfuhren, ihn von dem Landschaftlichen immer wieder abgezogen hätte. Fuhrwerke mannigfachster Art kamen ihnen nicht bloß entgegen, sondern überholten auch die Prinzessin, die, wenn sie Spazierfahrten machte, kein allzu rasches Tempo liebte. Da gab es dann in einem fort Begegnungen und Erkennungsmomente. „Das war ja Marstrand," sagte die Prinzessin. „Und wenn ich recht gesehen habe, neben ihm Worsaae. Der fehlt auch nie. Was will er nur bei dem de Mezafest? De Meza soll gefeiert, aber nicht ausgegraben werden. Er lebt noch und hat auch nicht einmal das Maß für Hünengräber." Es schien, daß die Prinzessin dies Thema noch weiter ausspinnen wollte; sie kam aber nicht dazu, weil im selben Augenblicke mehrere Officiere bis ganz in die Nähe des Wagens gekommen waren und die Prinzessin von links und rechts her zu cotoyiren begannen. Unter diesen war auch Oberstlieutenant Tersling, unser Bekannter von Vincent's Restaurant her, ein schöner großer Mann von ausgesprochen militärischen Allüren. Er sah sich mit besonderer Freundlichkeit seitens der Prinzessin begrüßt und erkundigte sich seinerseits nach dem Befinden derselben.
„Es geht mir gut, doppelt gut an einem Tage wie heute. Denn ich höre, daß Sie und die anderen Herren de Meza ein Fest geben wollen. Das hat mich herausgelockt; ich will mit dabei sein."
Tersling lächelte verlegen, und die Prinzessin, die sich dessen freute, fuhr erst nach einer Weile fort: „Ja, mit dabei sein; aber erschrecken Sie nicht, lieber Tersling, nur an der Peripherie. Wenn Sie den Toast auf den König oder aus den zu Feiernden ausbringen, werd' ich mich mit meiner lieben Gräfin hier und mit Ebba Rosenberg, die Sie Wohl schon in dem zweiten Wagen gesehen haben werden, in unserem Klampenborger Thiergarten ergehen und mich freuen, wenn das Hoch gut dänischer Kehlen zu mir herüberklingt. Uebrigens bitte ich Sie, de Meza meine Grüße bringen und ihm sagen zu wollen, daß ich immer noch an alter Stelle wohne. Generäle sind freilich nie leicht zu Hofe zu bringen und wenn sie gar noch Beethoven Concurrenz machen und Shmphonieen compo- niren, so ist es vollends vorbei damit; indessen, wenn er von Ihnen hört, daß ich Jdstedt immer noch in gutem Gedächtniß habe, so hält er es vielleicht fürder Mühe Werth, sich meiner zu erinnern. Und nun will ich Sie nicht länger an diesen Wagenschlag fesseln."
Tersling küßte der Prinzessin die Hand und eilte, die versäumte Zeit wieder einzubringen; die Prinzessin aber, während sie sich zu Holk wandte, fuhr fort: „Dieser Tersling, schöner Mann; er war einmal Prinzessinnentänzer und Kavalier eommö-il-wut, die spitzeste Zunge, der spitzeste Degen, und Sie werden sich vielleicht noch des Duells erinnern, das er schon vor 48 mit Capitain Dahlberg hatte? Dahlberg kam damals mit einem Streifschuß am Hals davon, aber nun liegt er lange schon vor Fridericia. Pardon, liebe Schimmelmann, daß ich dies Alles in Ihrer Gegenwart berühre; mir fällt eben ein, Sie waren selbst die Veranlassung zu dem Duell. Offen gestanden, ich wüßte gern mehr davon. Aber nicht heute; das ist Frauensache."