Heft 
(1891) 66
Seite
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Unwiederbringlich.

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Holk wollte seine Discretion versichern und daß er Dinge, die nicht direct sür ihn gesprochen würden, überhaupt gar nicht höre; die Prinzessin blieb aber bei ihrem Satz und sagte:Nein, nichts heute davon; verschieben wir's! Und dann Discretion, lieber Holk, das ist ein langes und schweres Capitel. Ich beobachte diese Dinge nun seit fünsundfünszig Jahren, denn mit fünfzehn wurd' ich schon eingeführt."

Aber Königliche Hoheit werden sich doch der Discretion Ihrer Umgebung versichert halten."

Gott sei Dank, nein," erwiderte die Prinzessin.Und Sie können sich gar nicht vorstellen, mit wie viel Ernst ich das sage. Discretion a tont xrix kommt freilich vor, aber gerade, wenn sie so bedingungslos vorkommt, ist sie furchtbar; sie darf eben nicht bedingungslos austreten. Die Menschen, und vor Allem die Menschen bei Hofe, müssen durchaus ein Unterscheidungsvermögen ausbilden, was gesagt werden darf und was nicht; wer aber dies Unterscheidungsvermögen nicht hat und immer nur schweigt, der ist nicht bloß langweilig, der ist auch gefährlich. Es liegt etwas Unmenschliches darin, denn das Menschlichste, was wir haben, ist doch die Sprache, und wir haben sie, um zu sprechen ... Ich weiß, daß ich meinerseits einen ausgiebigen Gebrauch davon mache, aber ich schäme mich dessen nicht, im Gegentheil, ich freue mich darüber."

In dem zweiten Wagen hatte man ähnliche Begegnungen und Begrüßungen gehabt; aber das Hauptgespräch drehte sich doch um Holk, bei welcher Gelegen­heit Pentz von dem Fräulein von Rosenberg erfahren wollte, wie der Graf ihr bei der Vormittagsaudienz eigentlich gefallen habe. Erichsen mischte sich in diese Fragen und Antworten nicht mit ein, hörte aber doch aufmerksam zu, weil er solche Schraubereien sehr liebte, vielleicht um so mehr, je mehr er seine persönliche Unfähigkeit dazu empfand.

Er ist ein Schleswig-Holsteiner," sagte Ebba.Die Deutschen sind keine Hofleute . . ."

Pentz lachte.Da merkt man nun aber wirklich, meine Gnädigste, daß Dänemark nicht des Vorzugs genießt, Sie geboren zu haben. Die Schleswig- Holsteiner keine Hofleute! Die Rantzau's, die Bernstorff's, die Moltke's . . ."

Waren Minister, aber keine Hofleute."

Das ist aber doch nahezu dasselbe."

Mit Nichten, mein lieber Baron. Ich lese viel Geschichte, wenn auch nur aus französischen Romanen, aber sür eine Hofdame muß das ausreichen, und ich wage die Behauptung, daß ein Gegensatz existirt zwischen einem Minister und einem Hofmann. Wenigstens dann, wenn jeder seinen Namen ehrlich verdienen soll. Die Deutschen haben ein gewisses brutales Talent zum Regieren gönnen Sie mir das harte Beiwort, denn ich kann die Deutschen nicht leiden aber gerade weil sie zu regieren verstehen, sind sie schlechte Hosleute. Das Regieren ist ein grobes Geschäft. Fragen Sie Erichsen, ob ich Recht habe ..."

Dieser nickte gravitätisch, und das Fräulein, das lachend darauf hinwies, fuhr fort:Und das Alles paßt mehr oder weniger auch aus den Grafen. Es ließe sich vielleicht ein Minister aus ihm machen . . ."

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