Effi Briest.
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Alles so weg hat, immer so sicher und dabei so sein und nie unpassend wie Papa. Wenn ich ein junger Lieutnant wäre, so würd' ich mich in die Mama verlieben."
„Aber Effi, wie kannst Du nur so 'was sagen," sagte Hulda. „Das ist ja gegen das vierte Gebot."
„Unsinn. Wie kann das gegen das vierte Gebot sein? Ich glaube, Mama würde sich freuen, wenn sie wüßte, daß ich so was gesagt habe."
„Kann schon sein," unterbrach hier Hertha. „Aber nun endlich die Geschichte."
„Nun, gieb Dich zufrieden, ich fange schon an . . . Also Baron Jnnstetten! Als er noch keine Zwanzig war, stand er drüben bei den Rathenowern und verkehrte viel auf den Gütern hier herum, und am liebsten war er in Schwan- tikow drüben bei meinem Großvater Belling. Natürlich war es nicht des Großvaters wegen, daß er so oft drüben war, und wenn die Mama davon erzählt, so kann Jeder leicht sehen, um wen es eigentlich war. Und ich glaube, es war auch gegenseitig."
„Und wie kam es nachher?"
„Nun, es kam, wie's kommen mußte, wie's immer kommt. Er war ja noch viel zu jung, und als mein Papa sich einsand, der schon Ritterschastsrath war und Hohen-Cremmen hatte, da war kein langes Besinnen mehr, und sie nahm ihn und wurde Frau von Briest. . . Und das Andere, was sonst noch kam, nun, das wißt Ihr ... das Andere bin ich."
„Ja, das Andere bist Du, Effi," sagte Bertha. „Gott sei Dank; wir hätten Dich nicht, wenn es anders gekommen wäre. Und nun sage, was that Jnnstetten, was wurde aus ihm? Das Leben hat er sich nicht genommen, sonst könntet Ihr ihn heute nicht erwarten."
„Nein, das Leben hat er sich nicht genommen. Aber ein bißchen war es doch so 'was."
„Hat er einen Versuch gemacht?"
„Auch das nicht. Aber er mochte doch nicht länger hier in der Nähe bleiben, und das ganze Soldatenleben überhaupt muß ihm damals wie verleidet gewesen sein. Es war ja auch Friedenszeit. Kurz und gut, er nahm den Abschied und fing an, Juristerei zu studieren, wie Papa sagt, mit einem „wahren Biereifer"; nur als der siebziger Krieg kam, trat er wieder ein, aber bei den Perlebergern statt bei seinem alten Regiment, und hat auch das Kreuz. Natürlich, denn er ist sehr schneidig. Und gleich nach dem Kriege saß er wieder bei seinen Acten, und es heißt, Bismarck halte große Stücke von ihm und auch der Kaiser, und so kam es denn, daß er Landrath wurde, Landrath iw Kessiner Kreise."
„Was ist Kessin? Ich kenne hier kein Kessin."
„Nein, hier in unserer Gegend liegt es auch nicht; es liegt eine hübsche Strecke von hier fort, in Pommern, in Hinterpommern sogar, was aber nichts sagen will, weil es ein Badeort ist (Alles da herum ist Badeort) und die Ferienreise, die Baron Jnnstetten jetzt macht, ist eigentlich eine Vetternreise, oder doch etwas Aehnliches. Er will hier alte Freundschaft und Verwandtschaft Wiedersehen."