Effi Briest.
15
muß — ich Will nicht, daß eine Briest mittelbar oder unmittelbar in einem fort von „Hoher Herr" spricht. Da müßte denn doch Jnnstetten wenigstens ein verkappter Hohenzoller fein, es gibt ja dergleichen. Das ist er aber nicht, und fo kann ich nur wiederholen, es verschiebt die Situation."
Und wirklich, Briest hielt mit besonderer Zähigkeit eine ganze Zeit lang an dieser Anschauung fest. Erst nach der zweiten Probe, wo das „Käthchen", schon halb im Costüm, ein sehr eng anliegendes Sammetmieder trug, ließ er sich — der es auch sonst nicht an Huldigungen gegen Hulda fehlen ließ —zu der Bemerkung Hinreißen, „das Käthchen liege sehr gut da," welche Wendung einer Waffenstreckung ziemlich gleich kam oder doch zu solcher hinüber leitete. Daß alle diese Dinge vor Essi geheim gehalten wurden, braucht nicht erst gesagt zu werden. Bei mehr Neugier aus Seiten dieser Letzteren wäre das nun freilich ganz unmöglich gewesen, aber Essi hatte so wenig Verlangen, in die Vorbereitungen und geplanten Ueberraschungen einzudringen, daß sie der Mama mit allem Nachdruck erklärte, „sie könne es abwarten", und wenn diese dann zweifelte, so schloß Effi mit der wiederholten Versicherung: es wäre wirklich so; die Mama könne es glauben. Und warum auch nicht? Es sei ja doch Alles nur Theateraufführung und hübscher und poetischer als „Aschenbrödel", das sie noch am letzten Abend in Berlin gesehen hätte, hübscher und poetischer könne es ja doch nicht sein. Da hätte sie wirklich selber mitspielen mögen, wenn auch nur, um dem lächerlichen Pensionslehrer einen Kreidestrich aus den Rücken zu machen. „Und wie reizend im letzten Act ,Aschenbrödel's Erwachen als Prinzessin' oder doch wenigstens als Gräfin; wirklich, es war ganz wie ein Märchen." In dieser Weise sprach sie oft, war meist ausgelassener als vordem und ärgerte sich bloß über das beständige Tuscheln und Geheimthun der Freundinnen. „Ich wollte, sie hätten sich weniger wichtig und wären mehr für mich da. Nachher bleiben sie doch bloß stecken, und ich muß mich um sie ängstigen und mich schämen, daß es meine Freundinnen sind."
So gingen Essi's Spottreden, und es war ganz unverkennbar, daß sie sich um Polterabend und Hochzeit nicht allzu sehr kümmerte. Frau von Briest hatte so ihre Gedanken darüber, aber zu Sorgen kam es nicht, weil sich Effi, was doch ein gutes Zeichen war, ziemlich viel mit ihrer Zukunft beschäftigte und sich, phantasiereich wie sie war, Viertelstunden lang in Schilderungen ihres Kessiner Lebens erging, Schilderungen, in denen sich nebenher und sehr zur Erheiterung der Mama, eine merkwürdige Vorstellung von Hinterpommern aussprach oder vielleicht auch, mit kluger Berechnung, aussprechen sollte. Sie gefiel sich nämlich darin, Kessin als einen halb sibirischen Ort aufzufassen, wo Eis und Schnee nie recht aufhörten.
„Heute hat Goschenhofer das Letzte geschickt," sagte Frau von Briest, als sie wie gewöhnlich in Front des Seitenflügels mit Effi am Arbeitstische saß, auf dem die Leinen- und Wäschevorräthe beständig wuchsen, während der Zeitungen, die bloß Platz Wegnahmen, immer weniger wurden. „Ich hoffe, Dir hast nun Alles, Esst. Wenn Du aber noch kleine Wünsche hegst, so mußt Du sie jetzt aussprechen, womöglich in dieser Stunde noch. Papa hat den Raps vorteilhaft verkauft und ist in ungewöhnlich guter Laune."