Effi Briest.
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für die jungen, ein gnädiges Wort hat. Und wenn wir dann in Berlin sind, dann bin ich für Hofball und Galaoper, immer dicht neben der großen Mittelloge."
„Sagst Du das so bloß aus Uebermuth und Laune?"
„Nein, Mama, das ist mein völliger Ernst. Liebe kommt zuerst, aber gleich hinterher kommt Glanz und Ehre und dann kommt Zerstreuung — ja, Zerstreuung, immer 'was Neues, immer 'was, daß ich lachen oder weinen muß. Was ich nicht aushalten kann, ist Langeweile."
„Wie bist Du da nur mit uns fertig geworden?"
„Ach, Mama, wie Du nur so 'was sagen kannst. Freilich, wenn im Winter die liebe Verwandtschaft vorgefahren kommt und sechs Stunden bleibt oder Wohl auch noch länger, und Tante Gundel und Tante Olga mich mustern und mich naseweis finden — und Tante Gundel hat es mir auch 'mal gesagt — ja, da macht sich's mitunter nicht sehr hübsch, das muß ich zugeben. Aber sonst bin ich hier immer glücklich gewesen, so glücklich . . ."
Und während sie das sagte, warf sie sich heftig weinend vor der Mama aus die Knie und küßte ihre beiden Hände!
„Steh auf, Effi. Das sind so Stimmungen, die über einen kommen, wenn man so jung ist wie Du und vor der Hochzeit steht und vor dem Ungewissen. Aber nun lies mir den Brief vor, wenn er nicht 'was ganz Besonderes enthält oder vielleicht Geheimnisse."
„Geheimnisse," lachte Effi und sprang in plötzlich veränderter Stimmung wieder auf. „Geheimnisse! Ja, er nimmt immer einen Anlauf, aber das Meiste könnt' ich aus dem Schulzenamt anschlagen lassen, da, wo immer die landräthlichen Verordnungen stehen. Nun, Geert ist ja auch Landrath."
„Lies, lies."
„Liebe Effi . . ." So sängt es nämlich immer an, und manchmal nennt er mich auch seine -kleine Eva'."
„Lies, lies ... Du sollst ja lesen."
„Also: Liebe Effi! Je näher wir unsrem Hochzeitstage kommen, je sparsamer werden Deine Briese. Wenn die Post kommt, suche ich immer zuerst nach Deiner Handschrift, aber wie Du weißt (und ich Hab' es ja auch nicht anders gewollt) in der Regel vergeblich. Im Hause sind jetzt die Handwerker, die die Zimmer, freilich nur wenige, für Dein Kommen Herrichten sollen. Das Beste wird Wohl erst geschehen, wenn wir aus der Reise sind. Tapezierer Madelung, der Alles liefert, ist ein Original, von dem ich Dir mit Nächstem erzähle, vor Allem aber, wie glücklich ich bin über Dich, über meine süße, kleine Effi. Mir brennt hier der Boden unter den Füßen, und dabei wird es in unserer guten Stadt immer stiller und einsamer. Der letzte Badegast ist gestern abgereist; er badete zuletzt bei 9 Grad, und die Badewärter waren immer froh, wenn er wieder heil heraus war. Denn sie fürchteten einen Schlagansall, was dann das Bad in Mißcredit bringt, als ob die Wellen hier schlimmer wären als wo anders. Ich juble, wenn ich denke, daß ich in vier Wochen schon mit Dir von der Piazzetta aus nach dem Lido fahre oder nach Mnrano hin, wo sie Glasperlen machen und schönen Schmuck. Und der
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