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Deutsche Rundschau.
Hinuntergleiten zu lassen, um am Abend des 22. October, wo der Aufstand in Rom ausbrechen sollte, bei Porta del Popolo anzulangen. Hier, an der Ripetta, sollten sie dann von den entschlossensten ihrer Freunde empfangen werden, und, einmal in der Stadt, hofften sie allen Widerstand der Besatzungstruppen niederzuwersen.
Alles schien auss Vorsichtigste angeordnet, der glückliche Erfolg des Unternehmens gesichert.
Das Ansehen, dessen die Brüder Cairoli genossen, verschaffte ihnen, sobald ihr Vorhaben ruchbar wurde, eine Schar von Genossen, deren Zahl sich anfangs über Hundert belief, nach und nach aber bis auf einige Siebzig herabschmolz. Nur die Besorgtesten und Zuverlässigsten waren sa auch den Gefahren des Waghalsigen Unternehmens gewachsen.
Der Aufbruch war auf den 20. October festgesetzt. Kurz vorher versammelte Enrico seine Schar und redete sie folgendermaßen an:
„Ich hoffe, ich werde meine Schuldigkeit thun. Wenn ich mich aber schwach zeigen sollte, ist Jeder von euch ermächtigt, mir eine Kugel vor den Kopf zu schießen, wie ich es dem Ersten von euch thun werde, der nicht seine Pflicht thut."
Von nun an lassen wir dem Dichter das Wort. Der ausführliche Bericht Guerzoni's über das so verhängnißvoll gescheiterte Unternehmen (in der Kuova ^ntoloßia von 1868) klärt, berichtigt und ergänzt zwar Manches in der schlichten Erzählung des Trasteveriners. Doch widerstrebt es mir, hier, wo es sich nicht um einen Generalstabsbericht handelt, sondern um das ergreifende Fragment eines Heldengedichts, die einzelnen Strophen durch einen prosaischen Kommentar in ihrem unmittelbaren Eindruck abzuschwächen.
Nur, da Carducci an Belli erinnert hat, sei noch bemerkt, daß die Ueber- setzung dieser Sonette andere, wenn auch nicht geringere Schwierigkeiten bot, als die Nachdichtung jener humoristischen Genrebilder des römischen Satirikers. Nicht die unnachahmliche Fülle und Frische der Localfarben, der Reichthum an höchst ergötzlichen populären Ausdrücken und sprichwörtlichen Redensarten, deren ganze Würze nur im Dialekt zu empfinden ist, erschwerte die treue Wiedergabe der folgenden Sonette, sondern die völlig schmucklose, oft lapidare Kürze und Sachlichkeit, die es fast unmöglich machte, zu Gunsten des Reims sich eine Freiheit zu gestatten. Der Reiz der Mundart dagegen tritt hier zurück. Mit Ausnahme weniger, dem Dialekt angehörender Worte bewegt sich die Erzählung in schlichtem, allgemein gültigem Italienisch, und nur die Lautform erinnert daran, daß der Erzähler ein Trasteveriner istH.
0 Seit dies geschrieben wurde, hat Cesare Pascarella durch eine neue größere Dialektdichtung die Hoffnungen, die man auf ihn fetzte, bestärkt. Bei Enrico Voghera in Rom erschien seoxorta cw fünfzig Sonette, in denen der Dichter einen römischen Bürger die Schick
sale des Kolumbus in feiner Mundart erzählen läßt, wie eben ein welthistorisches Ereigniß im Kopf eines ungebildeten Mannes sich spiegelt, der sich Personen und Thatsachen nach seinen naiven Begriffen zurechtlegt. Die Dichtung, die eine Fülle glücklichster humoristischer Züge und drolliger Wendungen enthält und in echt künstlerischer Mäßigung alle Ucbertreibungen vermeidet, welche die Illusion zerstören könnten, einen in gutem Glauben Berichtenden erzählen zu hören, hat einen großen, einstimmigen Erfolg gehabt, und wieder und wieder wird der bescheidene Dichter bestürmt, fein Werk öffentlich dorzulefen.