Heft 
(1894) 81
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Deutsche Rundschau.

So behaupteten sie über Nacht das Schlachtfeld, da die Päpstlichen, in der Meinung, es mit einer Uebermacht zu thun zu haben, die Flucht ergriffen hatten. Der größere Theil der Schar wandte sich nach Norden und suchte das Lager Menotti Garibaldi's zu erreichen. Erst kurz vor der Mittagsstunde des folgenden Tages kehrten die päpstlichen Truppen zurück, und der Anblick der Todten und Verwundeten stimmte sie zur Milde, so daß sie erst die Todten begruben und die klebrigen gegen Abend nach Rom brachten. Hier wurden sie in die Gefängnisse von San Michele geliefert und die Meisten nach Mentana entlassen. Giovanni Cairoli allein erwies man, Wohl seines Namens wegen, die Ehre, ihn bis gegen die Mitte des December gefangen zu halten.

Seine Freunde waren in großer Sorge um ihn, da sich abenteuerliche Gerüchte verbreitet hatten und man nicht wußte, ob er überhaupt noch am Leben sei H. Da erschien er unerwartet in Florenz, mit geschorenem Kopf, die Kleider schmutzig und zerrissen, doch sonst in leidlich guter Verfassung für einen Mann, der vor nur sechs Wochen einen Schuß in den Kopf und vier Bajonett­stiche in den Körper erhalten hatte. Einige dieser Wunden waren noch offen.

Man hatte ihn in Rom nicht als Kriegsgefangenen, sondern als politischen Gefangenen behandelt und sich die größte Mühe gegeben, ihm das Ehrenwort abzudringen, nie mehr gegen die päpstliche Regierung die Waffen zu ergreifen. Eines schönen Tages wurde er dann nach Florenz entlassen, hielt sich aber hier nicht aus, sondern reis'te unverzüglich nach Groppello H, wohin kurz zuvor die Gebeine seines Bruders Enrico überführt worden waren.

lieber ein Jahr hoffte man, seine Wunden würden nicht unheilbar sein. Zu Anfang 1869 jedoch zeigten sich bedenkliche Symptome, die das Schlimmste befürchten ließen. Und in der That waren die folgenden acht Monate nur ein einziger langer Todeskamps. Giovanni Cairoli kämpfte ihn ohne einen Klage­laut. Auch in den wildesten Fieberparorysmen, durch die heftigen Schmerzen seiner Wunden verursacht, entfuhr ihm kein Seufzer darüber, daß er auf alle Hoffnungen seines jungen Lebens verzichtet hatte, nur um für Rom zu sterben. Was ihm allein Kummer machte, war der Gedanke, durch den Anblick seiner Qualen der Mutter Schmerz zu bereiten. Noch in seiner letzten Stunde sprach er von Italien, Garibaldi, Enrico, von Sieg und von Rom. Am 11. Sep­tember 1869 verschied er, wenige Tage nach seinem sechsundzwanzigsten Geburts­tage. Die Kopfwunde war längst geheilt. Er erlag den Folgen der Bajonett­stiche, die ihm die päpstlichen Soldaten beigebracht hatten, als er blutend am Boden lag und auf die letzten Worte seines sterbenden Bruders horchte.

Bald nach den Söhnen starb die Mutter, am 17. März 1871 die italienischeMutter der Makkabäer", wie sie oft genannt worden ist. Sie War die Tochter eines Grafen Bono von Belgirate und mit achtzehn Jahren an Carlo Cairoli von Pavia vermählt worden, der an der dortigen Universität

1) Das Folgende nach einer aus dem Englischen übersetzten Schrist lim kainiA-lia Oairoli, biapoli 1879, die einen Artikel derWestminster Review" vom Januar 1879 wiedergibt.

2) Groppello liegt in dem piemontesischen District Lomellina, nahe der lombardischen Grenze. Die Familie besaß dort ein kleines Landgut und die Gruft, in welcher schon der Vater ruhte.