Heft 
(1894) 81
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Tas römische Heer.

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kostete jedesmal so unermeßliche Opfer, daß man an der Vorzüglichkeit dieses Wehrsystems dennoch irre werden mußte.

II.

Seit der Reform des Marius kämpfte auch Rom mit Berufssoldaten. Denn der Proletarier, welcher freiwillig in das Heer eintrat, wollte vom Kriegsdienst leben und wird sich daher, auch nachdem er entlassen war, doch bei jeder neuen Aushebung wieder gemeldet haben- Es ist deshalb kein Zufall, daß erst in dieser Zeit ein kunstgemäßer Fechtunterricht in der römischen Armee eingeführt wurde. War es doch nur durch jahrelange Hebung erreich­bar, daß alle Handgriffe desselben dem Soldaten zur zweiten Natur wurden und das Bewußtsein seiner Geschicklichkeit ihm jenes kalte Blut verlieh, welches die Legionen der ersten Kaiserzeit so unwiderstehlich machte. Ihre Schlachten unterschieden sich nur dadurch von Exercitieu, daß Blut floß; jede Bewegung des Einzelnen und der Massen wurde dabei mit solcher Sicherheit und Ruhe ausgesührt, wie auf dem Paradefelde.

Diese Vollkommenheit ließ sich freilich nur erreichen, wenn die Mann­schaften dauernd in dem gleichen Truppenverbande blieben, und solange die republikanische Staatsform bestand, war dies keineswegs die Regel. Der Soldat leistete seinen Eid nicht dem Staate, sondern dem Feldherrn; wurde dieser abberufen, was bei dem schnellen Wechsel der römischen Beamten meist schon nach ein bis zwei Jahren geschah, so pflegte das Heer entlassen zu werden. Mochten auch zum Theil dieselben Leute sich in die neugebildeten Legionen aufnehmen lassen, so war doch ihr früherer Zusammenhang verloren; der Einzelne focht noch ebenso gut wie vorher, aber die Präcision der Massen­bewegungen konnte nicht mehr die alte sein. Allen Anforderungen entsprachen also diese Söldnerheere nur, wenn ihre Führer lange Zeiträume hindurch die­selben blieben; aber solche dauernde Gewalten, wie die des Marius, Sulla, Pompejus, Caesar, waren nicht mehr republikanisch, sondern Vorläufer der Monarchie, welche allein im Stande war, alle Konsequenzen der marianischen Reform zu ziehen.

Gelangte bei den kurzen Kommandos die Ausbildung der Söldnerheere nicht zum Abschluß, so machte sich bei den langen ihre Kostspieligkeit in drückendster Weise geltend. Hatte der Soldat erst mehrere Jahre nacheinander unter demselben Feldherrn gedient, so erhob er den Anspruch, daß dieser auch nach der Entlassung seine Zukunft vor Noth sichere, und die öffentliche Mei­nung gab ihm ein Recht zu dieser Forderung. Schon seit den frühesten Ur­zeiten war jeder vornehme Römer mit Scharen armer Clienten umgeben. Sie bildeten fein Gefolge, wenn er öffentlich erschien, agitirten bei Wahlen und sonstigen Volksversammlungen in seinem Sinne und suchten überhaupt Einfluß und Ansehen ihres Patrons in jeder Weise zu heben. Dafür ver­langten sie aber nicht nur, daß die Macht, welche zum großen Theil ihr Werk war, auch vor Gericht oder wo sich sonst Protection wirksam zeigen konnte, zu ihren Gunstei: angewandt werde, sondern auch, daß ihr Schutzherr für ihren materiellen Unterhalt sorge. Diese Pflicht wurde allgemein anerkannt, und