Das römische Heer.
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Wäre; denn nur die Furcht vor seinen Waffen hielt die räuberischen Nachbarn etwas im Zaume. Für diesen Polizeidienst genügten sehr kleine Truppen, nur ständig mußten sie sein, und wenn der Krieger das Gebiet und die Kampf- Weise derjenigen Feinde, mit denen er sich immer wieder zu messen hatte, durch langjähriges Verweilen in derselben Garnison ganz genau kennen lernte, so war er für seine Aufgabe jedenfalls brauchbarer, als wenn er fast alljährlich mit den Proconsuln wechselte.
So zwingend diese Gründe auch scheinen, konnte es die römische Republik, obgleich sie immerfort Soldaten unter den Waffen hatte., doch nicht zu einem stehenden Heere bringen. Denn wie die Rekruten nicht dem Staate, sondern dem Feldherrn Treue und Gehorsam schwuren, so fanden auch die Veteranen nicht im Staate, sondern in seiner Person die Bürgschaft ihrer Versorgung. Ein gesetzliches Recht darauf besaßen sie ja nicht, und ihr moralischer Anspruch ließ sich nur durchfechten, wenn ein starker politischer Einfluß ihm feinen Schutz lieh. Sie waren daher nicht geneigt, den persönlichen Zusammenhang mit ihrem General zu opfern, indem sie in die Dienste feines Nachfolgers übertraten, der vielleicht minder angesehen und mächtig war. Die Voraussetzung des stehenden Heeres war daher der stehende Feldherr, und dieser fand sich erst im Kaiser.
Augustus knüpfte das Recht auf Altersversorgung an eine bestimmte, ziemlich hoch bemessene Zahl von Dienstjahren, und auch wenn diese erfüllt war, begründete sie nur einen Anspruch, dessen Befriedigung noch recht lange auf sich warten lassen konnte. Denn der Soldat war nicht berechtigt, feinen Abschied zu fordern; er mußte warten, bis der Imperator, dem er geschworen hatte, ihn seines Eides entband, und dies geschah nicht leicht, so lange er zum Kampfe noch tauglich war. So füllten sich die Legionen mit kriegsgewohnten Graubärten, unter denen die kleine Anzahl von Rekruten, welche zu ihrer Ergänzung nöthig war, ganz verschwand. Brachte schon dies bedeutende Ersparnisse, so wurden sie noch gesteigert durch die neuen Rangunterschiede der Truppen, nach denen sich der Sold während des Dienstes und die Geschenke nach der Entlassung mannigfach abstuften.
Ehe das Bürgerrecht allen Italikern verliehen war, hatte man immer die Hälfte der Kriegslast auf nichtrömische Schultern abgewälzt. Auf diese alte Sitte griff Augustus wieder zurück, nur in Formen, welche den veränderten Zeitverhältnifsen angepaßt waren. Früher hatte man nur die Verbündeten zur Hülfe herangezogen; die Unterthanen blieben vom Militärdienst, der als Ehrenpflicht des freien Mannes galt, in der Regel ausgeschlossen. Seitdem aber hatten sich die italischen Bundesstaaten in Bürgergemeinden verwandelt, und die provinziellen waren zu wenig zahlreich, ihre Einwohner auch meist zu unkriegerisch, als daß sie dem römischen Heere eine nennenswertste Verstärkung hätten bieten können. So bildete denn Augustus die nichtbürgerliche Hälfte seiner Armee aus den unterworfenen Volksstämmen, was große Vortheile mit sich brachte. Diese Soldaten waren aus Knechten des römischen Volkes hervorgegangen; sie durften also keine Ansprüche machen, wie die stolzen Bürger, sondern mußten, was man ihnen gewährte, als Gnade hinnehmen.