Heft 
(1894) 81
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Deutsche Rundschau.

Sie bekamen den Sold, der für ihren Unterhalt genügte natürlich einen geringeren als die Legionäre, doch ihre Altersversorgung ging den römischen Staat nichts an. Der Kaiser that genug, wenn er nach sünfundzwanzig- jähriger Dienstzeit ihnen und ihren Familien das Bürgerrecht verlieh, wodurch sie Steuerfreiheit und eine Sonderstellung innerhalb ihrer Heimathgemeinden erlangten; Wie sie sich nach ihrer Entlassung ernähren wollten, war ihre Sache.

Unter diesen Umständen konnte man freilich nicht erwarten, daß sich die Leute zum Kriegsdienst drängen würden. Während sich das Bürgerheer noch immer zumeist aus Freiwilligen rekrutirte, bildete man die unterthänigen Truppen durch zwangsweise Aushebung. Die Stellung ihrer jungen Mann­schaft wurde als eine Art Blutsteuer betrachtet, die auf den unterworfenen Völkern lastete, und einzelnen, welche man besonders stark heranzog, vergalt man diese Leistung durch Freiheit von allen sonstigen Abgaben.

Trotzdem war dieser Theil des Heeres recht wohlfeil, dafür aber nicht sehr zuverlässig; denn er ging aus halb oder ganz barbarischen Völkerschaften hervor, in denen sich die Neigung zum Aufstande immer wieder regte. Ein gewisses Mißtrauen gegen ihn gibt sich daher schon in seiner Organisation kund. Die Einheit des Bürgerheeres war die Legion, welche in zehn Cohorten von je sechs Centurien zerfiel. Obgleich sie ihre Normalstärke von fünftausend Mann Wohl nur selten erreichte, blieb sie doch immer eine Körperschaft von ansehnlichem Umfange, welche schon für sich allein den bescheidenen Anforde­rungen des Alterthums als fertiges Heer gelten konnte. Dagegen besaßen die unterthänigen Truppen keine größeren Corps als diejenigen, welche man beim Fußvolk Cohorten, bei der Reiterei Alae nannte; beide zählten höchstens je tausend, in der Regel nur fünfhundert Mann. Offenbar scheute man bei diesen Soldaten den Zusammenhang großer Massen und das Krastgefühl, welches er zu erwecken pflegt. Der Bürgerlegion gegenüber sollte jeder einzelne Truppenkörper ohnmächtig sein, und daß nicht gar zu viele sich zu gemeinsamem Handeln vereinigten, dafür sorgte unter gewöhnlichen Umständen die Verschiedenheit der Nationali­täten und Interessen, welche die meisten von einander trennte.

In der bevorzugten Hälste der Armee lassen sich drei Hauptbestandteile unterscheiden, deren Privilegien sich danach abstuften, wie alt das Bürgerrecht ihrer Werbebezirke war. Zum Dienst in der Garde wurden nur diejenigen zugelassen, welche aus Rom selbst oder aus den ihm zunächst gelegenen Land­schaften, Latium, Etrurien und Umbrien, oder aus den ältesten Bürgercolonien herstammten; die Legionen rekrutirten sich aus dem übrigen Italien; die Bürger der Provinzen und die Freigelassenen wurden in die Freiwilligencohorten ein­gestellt. Allerdings galten diese Regeln nur, soweit die Meldungen aus den betreffenden Bezirken in genügender Zahl einliefen. Entsprach das Ergebniß der Werbungen nicht dem Bedürfniß, so füllte man die Lücken aus den minder berechtigten Landschaften. Denn die Bürgerschaft durch erzwungene Aushebungen zu drücken, vermied man, solange die Verhältnisse dies irgend gestatteten. Alle drei Klassen besaßen das Recht, nach ihrer Entlassung auskömmlichen Grundbesitz aus öffentlichen Mitteln zu fordern; doch die Prätorianer erhielten doppelten Sold und brauchten nur sechzehn Jahre zu dienen, während zwanzig dem Legionär