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Deutsche Rundschau.
Welchen Schrecken die Niederlage des Varus in Rom hervorrief, und wie schwer jene 15 000 Bürgersoldaten, die seine Legionen gebildet hatten, zu ersehen waren. Zum Theil lag dies freilich daran, daß Heere, welche den damaligen Anforderungen als brauchbar galten, sich nicht mehr, wie zur Zeit der punischen Kriege, improvisiren ließen; denn der Rekrut brauchte Jahre, bis er zum ausgebildeten Soldaten wurde. Daher entschloß sich Augustus, eine galatische Truppe, die nach römischem Muster organisirt und eingeübt war, mit dem Bürgerrecht zu beschenken und zur Legion zu erheben. Doch war hiermit nur eine der drei untergegangenen erseht. An Stelle der beiden anderen trat eine einzige, die noch dazu aus Rekruten bestand; aber selbst die ärmliche Zahl von 5000 Mann ließ sich aus Italien nur gewinnen, indem man auch die nichtbürgerlichen Elemente der Bevölkerung heranzog. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß durch die Furcht, welche jene Niederlage hervorrief, die Zahl der freiwilligen Meldungen wahrscheinlich sehr zurückging; doch das gleiche Moment mußte immer seine Wirkung äußern, sobald ein großer Krieg plötzliche Verstärkungen des römischen Heeres nöthig machte. In solchen Fällen mußte man jedesmal zum Zwange der Aushebung greifen, und da man Italien mit dieser harten Maßregel gern verschonte, fanden dann immer Provinziale und Nichtbürger in den Legionen Aufnahme.
Dies waren zwar Ausnahmen, welche im Ganzen recht selten vorkamen und die Zusammensetzung der Heere nur aus kurze Zeit beeinflußten; doch unter Tiberius begann auch die regelmäßige Ergänzung schon schwierig zu werden, und selbst für die Garde reichten bald ihre ursprünglichen Werbebezirke nicht mehr aus. Unter Claudius nahm man schon die Prätorianer aus ganz Italien; in die Legionen drangen provinzielle Bürger ein, und die Freiwilligen- Cohorten füllten sich mit Unterworfenen. In einzelne Provinzen sandte man lange Jahre hindurch keine bürgerlichen Rekruten; erst wenn ein Theil der Legionäre so greisenhaft geworden war, daß die Schlagfertigkeit der Truppen ernstlich darunter litt, entließ mall mit einem Schlage größere Massen und mußte dann Ersatz durch die verhaßten Aushebungen schassen, welche wieder nicht Italien, sondern die Provinzen trafen. Jenes konnte unter Trajan kaum noch die Mannschaften der Garde stellen, unter denen zur Zeit Hadrian's auch schon zahlreiche Provinziale austraten; aus den Legionen waren unterdessen die Italiker ganz verschwunden, doch setzten sie sich noch immer aus Bürgern zusammen. Von Antoninus Pius wird auch dieser Grundsatz ausgegeben. Man wirbt die Legionen in denjenigen Landschaften an, in welchen sie stehen, ohne nach der Rechtsstellung der Rekruten zu fragen. Sie können Bürger, Verbündete oder Unterthanen sein; von dem Soldaten der Cohorte oder Ala unterscheidet sich der Legionär nur noch dadurch, daß er das Bürgerrecht schon beim Eintritt in das Heer, nicht erst bei der Entlassung erhält.
Wir haben oben dargelegt, wie im langen Verlaus des Hannibalischen Krieges sich die Armeen der Römer und ihrer Gegner immer ähnlicher wurden. Entsprechendes wiederholte sich jetzt bei den Legionen und den Heerkeilen der Deutschen. Jene barbarisirten sich immer mehr, diese civilisirten sich in der Berührung mit dem gebildeten Nachbarn. Denn natürlich konnten die Fecht-