Heft 
(1894) 81
Seite
71
Einzelbild herunterladen

Pflanzenleben im Wasser.

71

rundlich, wie die meisten sonstigen Blattgebilde, sondern in lauter sadendünne Zipfel zerschlitzt, die bei großer Oberflächenentwicklung doch einander möglichst wenig Licht wegnehmen und außerdem den Wasserströmungen leicht nachgeben.

Anders verhält es sich mit Blättern, die an der Wasseroberstäche zu leben bestimmt sind. Sie beschatten sich nicht gegenseitig, und das Sonnenlicht wird ihnen in ungeschwächter Fülle zu Theil. Sie brauchen es nur mit einer möglichst breiten Fläche aufzufangen und dafür zu sorgen, daß die Last der in ihrem Inneren tagsüber sich anhäufenden Nahrungsstoffe sie nicht zum Untertanchen bringe. Jene Blätter zeigen daher weder Zerschlitzung noch auch nur eine Verzweigung wie die Blätter der Rosen und Akazien. Sie bilden nierenförmige oder ovale Scheiben, die dem Wasser stach ausliegen. Das weiß ein Jeder, der sich einmal an dem Anblick der gelben und Weißen Seerosen erfreut hat. Auch die braun-grünen Laichkräuter und der weißblühende zierliche Froschbiß haben Schwimmblätter, und bei einem Sumpshahnensuß finden wir sogar solche mit untergetauchten zerschlitzten Blättern an einem und demselben Zweige vereinigt. Auch die Wasserlinsen sind hier zu nennen. Sie haben jeden Unterschied zwischen Stengel und Blättern aufgegeben und sind ganz zu flachen Scheiben geworden, welche nur auf der Unterseite einige unbedeutende Würzelchen Hervorbringen. Einer Art fehlen selbst diese. Sie ist nichts als ein kleines Schwimmblatt, mit einer Tasche zur Ausnahme der ärmlich aus­gestatteten Blüthen.

Besonders schön entwickelt sind die Schwimmblätter bei der bekannten Victoria rogia. Hier besitzen sie die Gestalt flacher Teller mit einem niedrigen aufgebogenen Rand, der ihnen das Schwimmen noch erleichtert. Sie bieten einen merkwürdigen Anblick, diese oft über meterbreiten grünen Schüsseln mit den dazwischen gestreuten röthlich-weißen, riesigen Seerosen ähnlichen Blüthen. So sieht man die Pflanze bei uns in größeren Warmhäusern, und so bedeckt sie in ihrer Heimath auf weite Strecken die Wasser des Amazonenstroms.

Die merkwürdigste Eigenthümlichkeit der Schwimmblätter unserer Wasser­pflanzen ist die, daß sie niemals über den Wasserspiegel hinauswachsen. Die Pflanze scheint es zu empfinden, wann die Wasseroberfläche erreicht ist. Wie wir selbst bei plötzlicher Berührung kalten Wassers zurückzucken, stellen die Blattstiele bei der Berührung mit der Luft ihr Wachsthum ein. Sie werden gerade so lang, daß die Blattspreite den Wasserspiegel erreicht. Dort entfaltet sie sich im vollen Lichte und liegt schließlich stach aus dem Wasser, durch einen glänzenden, seinen Wachsüberzng gegen Benetzung geschützt.

Wunderbar ist es, wie große Massen organisirten Materials eine Wasser­pflanze mit Hülse solcher Schwimmblätter in einer Vegetationsperiode bilden kann. Die ganze große Victoria regia entwickelt sich im Lause eines einzigen Jahres aus einem kleinen Samenkorn. Fast ihre ganze Masse wird während des Wachsthums in den Blättern bereitet, die eine solche Arbeit allerdings nur in dem mächtigen Licht und der Wärme der Tropensonne zu leisten vermögen Untergetauchte Pflanzen sind überall, wie schon gesagt, hin­sichtlich der Beleuchtung schlechter gestellt, als solche mit Schwimmblättern. Es sind daher meist kleine Formen, welche wir auf dem Boden unserer Ge-