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Deutsche Rundschau.
Wässer antreffen. Unter ihnen spielen die Algen eine Hauptrolle. Es gibt Wohl aus der ganzen Erde keine feuchte, nur einigermaßen Helle Stelle, wo nicht Algen ihren Wohnsitz aufgeschlagen hätten. Gegen Hitze wie gegen Kälte in hohem Maße unempfindlich, vermögen sie auf dem Schnee der Alpen wie am Rande heißer Quellen zu vegetiren. Wir finden sie auf den Steinen reißender Gebirgsbäche mitten im stärksten Gefälle, wie in der Brandung der Meeresküste; andererseits aber auch auf dem Grunde des kaum bewegten Wassers von Gräben und Tümpeln. Der Mannigfaltigkeit ihrer Standorte entspricht die unermeßliche Menge ihrer Formen. Bald verwandeln sie in Gestalt mikroskopisch kleiner Kügelchen das ganze Wasser eines Teiches oder Sees zeitweise in eine häßlich trüb grüne, manchmal übelriechende Flüssigkeit, bald schwimmen sie als grüne oder gelbliche, mit Gasblasen durchsetzte Watten an seiner Oberfläche; bald erscheinen sie auf dem Grunde des Wassers als dicke rundliche Polster ineinander gewirrter grüner Fäden, bald als schlüpfrige braune Ueberzüge.
Die schönsten Algen der deutschen Flora sind die Armleuchtergewächse, Welche hier und da den Boden stehender Gewässer bedeckende Wäldchen grüner, bis zu mehreren Decimetern hoher, mit quirlig gestellten Aestchen etagenweise gezierter Bäumchen bilden.
Die Meeresalgen oder Tange fallen durch ihren Farbenreichthum auf. Neben grünen finden sich im Meere säst schwarze, braune und rothe Formen, und gerade die letzteren erreichen auch unter weniger günstigen Beleuchtungsverhältnissen oft beträchtliche Größe. Sie scheinen durch ihre besonderen Farbstoffe zu einer eigenthümlichen Ausnutzung des gedämpften blauen Lichtes der tieferen Wasserschichten befähigt zu sein.
Große Tiefen erreicht, eben des Lichtmangels wegen, die Pflanzenwelt des Meeres überhaupt nicht.
Schon hundert Meter unterhalb des Wasserspiegels treten nur noch wenige Algen aus. Es sind Schattenpflanzen, die, wie das Immergrün und andere Pflanzen schattiger Standorte, nur wenig Licht bedürfen. Manche halten sogar in der dreimonatlichen Polarnacht Spitzbergens aus, ohne eine Unterbrechung ihrer Vegetation eintreten zu lassen. Sie entwickeln zu dieser Zeit, bei einer Wassertemperatur von 1 o 0. ihre unscheinbaren Blüthen und Früchte.
Die Riesen der Algenwelt freilich müssen suchen, sich den ungetrübten Genuß des Sonnenlichts zu verschaffen. Sie wachsen in dem seichten Wasser nahe dem User und entwickeln aufsteigende dünne Stämme, welche am Wasserspiegel erst in langgestreckte, zerschlitzte Blattgebilde übergehen. Solche Algen bilden z. B. an der chilenischen Küste submarine Wälder, in welchen Exemplare von mehr als zweihundert Metern Länge gesunden werden.
Kehren wir, nach unserer Abschweifung in die fremdartige Welt der Algen, zu den höheren Pflanzen zurück und untersuchen wir jetzt, ob sie nicht auch in ihren Blüthenverhältnissen besondere Einrichtungen für das Wasserleben getroffen haben.