Heft 
(1894) 81
Seite
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74 Deutsche Rundschau.

Korallenriffe und wird zu einem charakteristischen Bestandtheil tropischer Strandlandschasten.

Andere Wasserpstanzensamen benutzen Thiere als Transportmittel. Sie lassen sich von Fischen verschlucken, deren Darmkanal sie unverdaut zu passiren vermögen.

Ganz besonders interessant ist die Verbreitungsweise vieler Algen. Diese Pflanzen entwickeln Schwärmzellen, die wie Jnfusionsthierchen mit freier Be­weglichkeit begabt, ziemlich rasch im Wasser umherschießen, bis sie einen ge­eigneten Punkt gefunden haben, an dem sie sich ansetzen und aufs Neue zu einer Alge heranwachsen können. Auf einem Steine im Bach oder aus einem hineingefallenen dürren Aste zeigt uns die Lupe eine kleine Gruppe etwa ein Centimeter hoher dünner Fäden, deren jeder aus einer Reihe auseinander­gesetzter chlindrischer Zellchen besteht. Nehmen wir die Pflänzchen sammt ihrer Unterlage in feuchtes Papier oder Moos eingeschlagen mit nach Hause und bringen sie in eine Schale mit frischem Wasser, so gelingt es oft nach kurzer Zeit, das Schauspiel der Schwärmerbildung zu beobachten. Man sieht, dazu ist freilich das Mikroskop nöthig, die einzelnen Zellchen zerbrechen und ihren Inhalt in Gestalt ovaler Körperchen aus dem Risse herauskriechen. Am vorderen Ende dieser Schwärmer gewahren wir eine Anzahl seiner Fäden, welche lebhaft hin und her schwingen und sie dadurch in eine drehende Be­wegung versetzen, mit deren Hülfe sie im Wasser in einer Schraubenlinie vorwärts schwimmen. Der österreichische Botaniker Unger, welcher unter den Ersten die Schwärmzellenbildung beobachtete, glaubte damals,die Pflanze im Momente der Thierwerdung" überrascht zu haben, und in der That besitzen die pflanzlichen Schwärmer mit kleinen Wasserthierchen oft überraschendste Ähnlichkeit. Manche von ihnen führen sogar rothe Flecken am Vorderende, welche man mit viel Grund als lichtempfindliche Organe, als Augen einfachster Art auffaßt.

Eindringlicher als an anderen Stellen des unendlichen Gewächsreiches tritt uns hier die Frage nach der Beseelung der Pflanzen entgegen. Wenn wir sehen, Wie Schwärmzellen auf Nahrungsstoffe zuschwimmen, Giften aus dem Wege gehen, schwaches Licht suchen, allzu starkes Licht fliehen, endlich auch ihres Gleichen von Schwärmern anderer Pflanzen unterscheiden, so finden wir tatsächlich den Bewegungen der niedersten Thiere gegenüber keinen Unterschied. Wir müssen uns gestehen, hier wie dort sind dieselben Empfindungen und Empfindungsäußerungen vorhanden, und wenn man jenen Thieren eine Art von Seele zuschreibt, so darf man eine solche auch den Pflanzen nicht absprechen. Gedanken und Bewußtsein freilich können wir in diesen einfachsten Lebenskreisen nicht zu finden erwarten. Sie sind das Vorrecht der höchst organistrten Erdbewohner. Das ganze Dasein jener niederen Wesen besteht in der unbewußten Ausnahme von Eindrücken und dadurch veranlaßen ebenso unbewußten Bewegungen.

Mit der Samenbildung ist die Lebensthätigkeit der einjährigen Wasser­pflanzen abgeschlossen. Sie sterben ab und fallen der Zersetzung durch die Wasserbakterien anheim, deren Thätigkeit ihre Substanz erneuter Belebung im Kreislauf der Stoffe entgegensührt. Unter den mehrjährigen Wasserpflanzen