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Deutsche Rundschau.
stehenden Gewässern manchmal massenhaft vorhanden ist. Seine Blätter tragen an und zwischen ihren Zipfeln etwa stecknadelkopsgroße, runde Blasen, welche die Rolle von Thierfallen spielen. Ihr interessantester Theil ist ein elastischer Deckel, der sich nur nach ihrem hohlen Innern hin öffnen läßt. Ein Kranz den Blaseneingang umstehender Drüsenhaare sondert einen schleimigen Stoff ab, der die kleinen Wasserkrebschen zum Verzehren anlockt. Neugierig kommen sie herbeigeschwommen und sammeln sich an der Blasenmündung an, um ihre Mahlzeit zu halten. Jetzt wagt einer der Besucher, den Blasendeckel zu betreten. Er bleibt anfangs ruhig geschlossen; auf eine etwas heftigere Bewegung des Gastes hin aber öffnet er sich plötzlich mit einem weiten Spalt, um das Thierchen zu verschlucken und dann sich sofort wieder zu schließen. Der Gefangene versucht eine Zeit lang vergebens aus der Blase zu entkommen; allmälig werden indessen seine Bewegungen matter; er erstickt schließlich, und nun beginnt die Thätigkeit der die Wände des Blaseninnern bekleidenden Haare, welche die aus den Weichtheilen des Thieres entstehende Flüssigkeit als erwünschte Nahrung aufsaugen. Bedenkt man, daß ein anderthalb Finger langes Zweiglein des Wafserschlauchs über zweihundert der kleinen Krebschen zu sich nehmen kann, so findet man es begreiflich, daß die Pflanze der Wurzeln entbehrt, die sonst im Gewächsreiche die Zuführung der stickstoffhaltigen Nahrnngsbestandtheile zu besorgen haben.
Einige, auch in weiteren Kreisen bekannt gewordene Unternehmungen, die sich die Erforschung der Wasser-Flora und -Fauna zur besonderen Aufgabe gemacht haben, veranlassen mich, noch etliche Worte über die Bedeutung der Wasserflora im Naturhaushalt beizusügen. Von allgemeinster Bedeutung sind auch hier die niederen Gewächse, und zwar vornehmlich die mikroskopisch kleinen, welche in ungezählten Scharen weite Strecken aller, besonders der nördlichen Meere bevölkern. Bald in Schwärmen, bald mehr vereinzelt bewegen sie sich im Wasser umher, die tiefblaue Farbe seiner organismenleeren Stellen in Grün und selbst in schmutziges Gelb verwandelnd. Am zahlreichsten unter den so im Meere treibenden Pflänzchen sind die Diatomeen oder Kieselalgen, deren Formenreichthum alle Phantasie übersteigt. Sie bestehen aus einem Klümpchen lebender Substanz, welches wie in einer Schachtel zwischen zwei kieseligen Schalen ruht. Diese Schalen aber weisen so feine Zeichnungen auf, daß sie gleich dem Staub der Schmetterlingsstügel als Prüfstein für die Schärfe unserer besten Mikroskope im Gebrauch sind. Mit Hülfe eigenthüm- licher Schwebevorrichtungen durchziehen diese Wesen das Wasser, bis sie ab- sterbend auf seinen Boden heräbsinken und sich dort an der Bildung des Schlammes betheiligen, welcher für die Entwicklungsgeschichte unserer Erdrinde von großer Bedeutung ist. Auch im süßen Wasser gibt es Diatomeen. Sie bilden den wesentlichsten Bestandtheil der braungelben schlüpfrigen Ueberzüge auf den Steinen der Bachbetten, von welchen oben schon die Rede war.
Die Rolle dieser und anderer ähnlich lebender Wesen im Naturhaushalt ist nicht damit erschöpft, daß sie mit ihren todten Resten die feste Erde auf-