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Deutsche Rundschau.
der Uferflora abgesehen, arm an größeren Pflanzen sind. Im Rhein z. B. enthält nach Schenk das fließende Wasser nur die zahllosen Wasserbakterien. Die gelegentlich mitgerissenen Algen oder, Userpflanzen finden keine Gelegenheit zum Festsetzen, so daß das Rheinbett von der Mitte bis zur Uferzone fast vegetationslos erscheint. Nur die kleinen verzweigten Fäden einer violetten Alge, deren Verwandte meist im Meere leben, finden sich an tieferen Standorten, zusammen mit den unvermeidlichen kieselschaligen Diatomeen. Auch die Uferpartieen des Flußbettes sind, soweit sie aus beweglichem Sande bestehen, vegetationslos. Nur sestliegende Steine führen unbedeutende, blaugrüne Algenüberzüge. Anders aber gestaltet sich der Anblick in der Nähe der Mündungen der von einer Stadt herkommenden Abzugskanäle. Hier, in dem schmutzigen Wasser, finden eine Unzahl fadenförmiger Bakterien geeignete Lebensbedingungen. Oft sind weite Strecken des schwarzgrauen Schlammes überzogen von einer milchweißen Masse, förmlichen Rasen von Wasserpilzen und Fadenbakterien, und diese, dem Auge unerfreulichen Pflanzen, sind in besonders hohem Maße an der Reinigung des Wassers betheiligt. Sie bilden somit nützliche Verbündete der Strompolizei. Aber diese praktischen Fragen liegen außerhalb des Rahmens meiner Aufgabe.
Es kam mir besonders darauf an, die Arbeitsweise einer sehr verbreiteten Richtung der modernen Botanik durch ein Beispiel zu illustriren. Augenblicklich erscheint kaum eine botanische Arbeit, in welcher nicht die Frage nach der Bedeutung irgend einer pflanzlichen Eigentümlichkeit für das Leben ihres Trägers berührt würde, und man darf es als eine der schönsten Folgen der durch Darwin gegebenen Begründung der Descendenzlehre betrachten, daß diese lebensvolle und außerordentlich fruchtbar gewordene Fragestellung in der strengen Wissenschaft sich Heimathsberechtigung erworben hat. In der Hand geschickter Experimentatoren immer mehr von dilettantischem Beiwerk befreit, hält sie, als Biologie im engeren Sinne, gleichen Schritt mit älteren naturwissenschaftlichen Disciplinen im Streben nach dem gemeinsamen Ziele eines immer umfassenderen Verständnisses der kreislichen Ordnung der Dinge dieser Welt.