Heft 
(1894) 81
Seite
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Deutsche Rundschau.

Wenige Tage, nachdem Billroth in Abbazia entschlafen war (6. Februar 1894) uberbrachte mir sein Schwiegersohn vr. Otto Gottlieb das ziemlich umfangreiche Manuscript, auf dessen Umschlag mit fester Hand die Worte ge­schrieben stehen:

Dieses Manuscript soll meinem lieben Freunde Ed. Hanslick übergeben werden, und mag er darüber verfügen, was damit geschehen soll.

Abbazia, 3. Februar 1894. Th. Billroth."

Die beiden ersten Capitel waren von Billroth's Hand alsfertig" be­zeichnet. Ich hatte ihm schon im Jahre 1891 den Vorschlag gemacht, seine Abhandlung in derDeutschen Rundschau" zu veröffentlichen. Billroth war damit ganz einverstanden, wollte aber die Veröffentlichung noch aufgeschoben wissen, bis die Arbeit weiter vorgeschritten und nochmals gefeilt sei. Es geschieht also in seinem Sinne und mit ausdrücklicher Zustimmung seiner Familie, daß ich hier die beiden von Billroth als druckfertig bezeichnten Capitel derDeutschen Rundschau" übergebe. Sie erscheinen, von unwesent­lichen stilistischen Aenderungen abgesehen, unverändert nach Billroth's Manuscript. Die übrigen, aus losen Blättern und verschiedenen Einlagen bestehenden, auch in Folge vieler Correcturen nicht überall lesbaren Capitel, sind in diesem Zu­stande nicht drucksertig. Ich kann noch nicht sagen, ob sie, ohne dem Originale Gewalt anzuthun, ganz oder nur theilweise für die Öffentlichkeit hergestellt werden können, und behalte mir vor, darüber zu berichten.

Eduard Hanslick.

An Eduard Hanslick.

Oh Weh! Oh Weh! Schon wieder eine Broschüre über Musik! Und dazu mit einem Programm! Keine Ruh' bei Tag und Nacht!" So höre ich Dich, schmerzlich bewegt, brummen.Schreck'nicht! Schreck'nicht! Liebster Freund! Du brauchst ja nicht Alles zu lesen und nicht darüber zu schreiben," erwidere ich. Nun entwickelt sich eine vierstimmige Fuge der zukünftigen Leser:Ich brauch' ja nicht Alles zu lesen. Er, Sie braucht ja nicht Alles zu lesen. Wir brauchen ja nicht Alles zu lesen." Gegenthema:Ist Alles schon dagewesen."

Ost hast Du mich aufgefordert, was ich Dir gelegentlich in Briefen schrieb, in Zusammenhang zu bringen und zu einemEssay" zu verarbeiten. Ich habe es nicht ganz abgelehnt, doch lange gezögert, daran zu gehen; kann ich doch nur in den Ferien solche Allotria treiben. Allein denkt man an so Etwas oft, so thut man es am Ende auch. Ich sing an, dies und das niederzuschreiben, aber es wollte sich lange nicht recht gestalten. Eine musikalisch­historische oder -psychologische oder -sociologische Symphonie zu schreiben, dazu fehlt mir zu viel, das zu erlernen ich keine Zeit und keine Geduld mehr habe. So konnte ich nur zur freieren und lockeren Form derSuite" greifen.

Ich mache nicht die Prätension, etwas Neues gesagt zu haben. Ebenso Wenig bestehe ich daraus, daß meine Auffassung immer die richtige oder gar die einzig richtige sein soll. Doch mag das Gewagte als Ausdruck unserer Zeitströmung ein bißchen mit gelten. Wiederholungen glaubte ich nicht immer