Heft 
(1894) 81
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Deutsche Rundschau.

wegung. Auch die Kiemenathmer, die Fische, machen ganz genau abzählbare Oeffnungen und Schließungen ihrer Kiemendeckel, wodurch eine rhythmische Athmung und deren Bewußtsein auch bei ihnen wahrscheinlich wird.

Eine andere rhythmische Bewegung, deren wir uns sreilich nur sehr selten bewußt werden, macht das Herz in uns. Es schlägt von dem ersten Moment seiner Thätigkeit an den Tact zu dem Trauermarsch, der uns das ganze Leben hindurch zum Grabe leitet. Der bei Krankheiten vorkommenden, sich langsam entwickelnden Unregelmäßigkeiten in Rhythmus und Gleichheit der Energie jedes Herzschlages sind wir uns selten bewußt. Die meisten Empfindungen, welche die Menschen in die sogenannte Herzgrube verlegen und als Druck am Herzen bezeichnen, haben im nervösen Sonnengeflecht in der Gegend des Magens ihren Ursprung und haben mit den Herzbewegungen direct nichts zu thun. Doch ist die Empfindung eines beschleunigten Rhythmus der Herzaction, das sogenannte Herzklopfen, allerdings häufig auch objectiv wahrnehmbar. Die meisten Angstgefühle, welche die Menschen in das Herz verlegen, haben ihre Ursachen weit häufiger in Unregelmäßigkeit der Athmung als des Herzschlags. Ebenso werden die durch Erkrankung der Herzklappen entstehenden Störungen in den Blutdruckverhältnifsen kaum je im Herzen selbst empfunden, sondern vielmehr in ihren Folgen auf die Blutüberfüllung und -Stauung in den Lungen, als dauernde Athemnoth, oder bei starker Beschleunigung und Un­regelmäßigkeit des Herzschlags als Erstickungsangst. Bewußte Herzmuskel- Gefühle dürsten sehr selten sein. Ich will es vorläufig dahingestellt sein lassen, ob diese uns meist unbewußten Bewegungen bei der Musik in Betracht kommen.

Geläufiger als die Rhythmik unserer Athem- und Herzbewegungen ist unserm Bewußtsein die Rhythmik unserer gesammten Körperbewegungen beim Gehen, Lausen, Springen, Tanzen u. s. w. Hier ist die Rhythmik das Ge­wöhnliche, die Arythmie das Ungewöhnliche. Sieht man einen Menschen gehen, der etwa zwei große, ungleich rasche, dann einen kleinen, dann wieder einen großen Schritt macht, nun still steht, dann wieder kleine Schritte macht, und so ohne allen Rhythmus sich fortbewegt, so denkt man unwillkürlich, der muß betrunken oder verrückt sein. Eine wie große Freude der Mensch an seinen eigenen rhythmischen Bewegungen (ohne alle Nebenbeziehungen) hat, zeigt die reine Lust am Tanzen und Marschiren, zumal bei Kindern. Einen unrhythmischen Tanz, ein unrhythmisches Marschiren können wir uns gar nicht vorstellen, und würden auch keine andere Freude daran haben als etwa am Umherrasen.

Wir haben bei der bisherigen Betrachtung Wohl nur an die rhythmischen Bewegungen der Beine gedacht; doch braucht man nur ein bißchen genauer zu beobachten, zumal nackte Menschen, z. B- vor dem Baden am Strand, um zu sehen, daß die Rhythmik dieser Bewegungen sich fast allen Theilen des Körpers mittheilt. Der Tanz der Griechen erstreckte sich, wie auch der Tanz der jetzigen Orientalen und vieler Naturvölker, am allerwenigsten auf die Beine, weit mehr aus die Arme und den Rumps. Es ist ein vollkommen sach­gemäßer Ausdruck, wenn man sagt, eine Tanz- oder Marschmusik fahre'uns