Heft 
(1894) 81
Seite
122
Einzelbild herunterladen

122

Deutsche Rundschau.

III.

Frankfurt, 27. Heumonds 1848.

Wir haben drei Tage unfruchtbaren und blutigen Polenacker gepflügt, nachdem wir über fechs Wochen in unferm Ausschuß*) auf verschiedene Weise darüber ge­fachten und berathen hatten; endlich ist geschehen was geschehen mußte! der deutschere Theil des Großherzogthums Posen ist Deutschland einverleibt. Damit ist sreilich der künstige Zwist und Aufruhr nicht abgeschnitten, zumal bei einem Volke slavonifchen Stammes; aber man thut eben, was der Augenblick und auch das Herz verlangt. Wenn man auf Erden nur Einiges gelegentlich recht machen kann, gerecht kann man diese Erde nicht mehr machen. Auch ist sie nie gerecht gewesen; ich glaube doch bei allen Narrheiten und Getümmeln noch, daß wir gerechter sind als unsere Väter und Großväter.

Dies sür heute, Geliebter, nebst einigen Ausläufen und Abschweifungen aus meinem Gedankenpfade heraus auf die bunten und verschieden geschlängelten Blumen- psade Deines letzten lieben Brieses vom 16. d. M. Man tupft so hin und her an und findet, wie dumm und halbblind eine lange Sitzung von 6*/? Stunden einen auch gemacht habe, durch dies Tupfen und Picken hier und da ein Gedankenkörnlein.

Du klagst über Eure Bonner Zustände und wer könnte und müßte nicht klagen? Wer könnte und dürfte nicht klagen über das Maß der kurzen Geister, die sich als große und außerordentliche gebärden? Aber doch glaube ich, wir klagen unsere Zeit mit Unrecht des kurzen und kleinen Maßes an. Es ist Alles in einem wundersamen und auch wunderlichen Uebergang und Ausgang der Zeiten; und da ist lange eine gewisse Gleichheit, welche ich eine Ebenheit nennen möchte, wo nichts hervorragt. Es werden die Hervorragenden und Gewaltigen schon kommen, aber wahrscheinlich lange hinter mir. Thut nichts. Wie unsere politischen Verhältnisse die schwersten sind, wenn man sie zu einer gedachten Ebnung brächte oder vielmehr sie sich nur so einbildete, so ist nach meinem Gesühl ein gewisses verworrenes Tappen in einem Volke, welches doch so tapfer und kriegerisch ist als das unsrige, mir immer mehr ein Zeichen einer milden Lindigkeit und Gutmüthigkeit, als einer geistigen Hülslosigkeit oder politischen Unfähigkeit. Dies bei einem Volke, welchem seit vier Monaten alle Zügel der Herrschaft und des Gehorsams fast ganz gelöst sind, ist mir ein fröhliches Zeichen. Wie das Ganze endlich mehr in einer wür­digen Weise zur Stärke und dadurch zur Ordnung geeinigt werden kann, das weiß nur, der die Schicksale der Völker lenkt. Dazu wird äußere Noth, welche zusammen­treibt, gehören, oder irgend einige außerordentliche Treiber, welche die Völker selten mit seidenen Handschuhen anfassen und führen. Vaillot lila.

Kurz, glaube mir, Geliebter, es ist hier, es ist allenthalben im Vaterlande viel Gutes und auch Tüchtiges; auch in dieser Versammlung sind viele brave und tüchtige Leute, auch einzelne ausgezeichnete Talente aber, aber warum kein Vortreter? Wie die ganze politische Entwicklung der jüngsten sünsunddreißig Jahre sich machte, hatten unsere Könige und Fürsten sich in den Dreck gelegt. Es gilt, sie langsam herauszuziehen. In einer einzelnen Monarchie könnt' es ein Einzelner sein, in so vielen wie die deutschen, müßt' es ein Riese sein, ein Herkules, der die immer frisch gefärbte blutigste Keule führte; Gott wird uns ja piano gehen lassen; es sind wirklich viele bereite Kräfte da! Und die andere Seite, die Republik?

Täuschen wir uns nicht auch in Deutschland stehen ihr viele wüste und verworrene Kräste und Geister zu Gebot, und hätte Gott es gewollt und einen Satanskerl geboren werden lassen, Lichtsreunde, Fichtianer und Hegelianer haben rechtschaffen vorgearbeitet, und doch ich hoffe, sie werden endlich dahinten bleiben. Daß es aber mit unseren losen Wesen einer allgemeinen flatternden Freiheit, daß es ohne feste, strenge politische Sittenordnungen in die Harrens nicht gehen kann,

fl Für völkerrechtliche und internationale Fragen.

fl auf die Tauer, auf die Länge.