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Deutsche Rundschau.
wieder von dir haben möchte; denn was das Andere betrifft, vielmehr was alles Andere, was das Getöse dieser äußeren unmetaphysischen und doch nicht ungöttlichen Welt betrifft, so liegt ja alles hell vor den Blicken und die Weltgeschichte, von welcher böse Narren, wenn sie könnten, alle ältesten ehrwürdigsten Erinnerungen wegwischen möchten, liegt so einfach und kurz wie die ersten Tafeln Mosis, die der graue Seher im Zorn zerschlug, vor uns ausgeschlagen.
Ihr werdet erschrocken sein, Geliebte, über Gräuel, welche hier geschehen sind I, welche jetzt so alltäglich werden, daß das arme verführte Volk sich endlich an Mord und Blut gewöhnen wird, vielleicht endlich gewöhnen wird, ehrliche und schneeweiße alte Köpfe wie den meinigen abzuhacken, Wohl noch meinend, Gott und der Freiheit damit einen Dienst zu thun. Ihr werdet verwundert und erstaunt sein, daß von hier, von dieser Tribüne gegen solche Scheußlichkeiten keine Donnerworte herabklingen. Mit Recht verwundert und erstaunt, und doch wieder mit Anrecht.
Wie das? O wir Deutsche haben durch die alten Verhältnisse und ihre tausendfältigen, widerlichen und unreinen Verzweigungen und durch die tausend Jämmerlichkeiten, Nichtigkeiten und Feigheiten außer vielen Regierungen sdie beiden mächtigsten auch hier oben ans ein so unreines politisches Wasser, daß man bei jeder neuen Heftigkeit von Anklagen und Wortgefechten wirklich fürchten muß, das neugeborene deutsche Kindlein, das entweder einige Monate jHans Sachs sagte für Monat da immer Jahrs zu früh oder zu spät geboren ist, mit dem blinden trüben Bade mit auszuschütten. Viele werden rufen „Nur zu! schüttet den bösen Wechselbalg nur frisch mit aus!" Leicht gesagt; aber was wäre damit geholfen? In der That! wir haben uns bisher hüten müssen, die Schlangen nicht zu sehr zu reizen, ihr Gift auszuspritzen, denn immer halten sie uns dann mit tausend Lügen und Uebertreibungen die agua tokana entgegen, welche das letzte Menschenalter in langsamen und kleinen Dosen dünnster Tröpslein über und durch alles Volk hingespritzt hat, und wovon sie einen guten Theil an sich gesogen, wenn nicht in sich hinein gesogen haben, um es unter dem Titel Lebenströpslein der Freiheit wieder auszuspritzen. Dieser Höllenschein der Lüge, der da Wahres und Falsches, mit solchem Höllenwasser gemischt, ausspeit, mit einer eigenen Lichtfunkelung aller Täuschung und Lüge ausspeit, will nach unvermeidlichem Naturlaus seine Zeit haben zum Erbleichen — und daß ich es mit einem derberen Worte sage, der Dreck, den die Umwälzungen von Paris, Berlin und Wien im Februar und März aus der sontllm xoxuli auch dem Besten und Weisesten über die Köpfe und aus die Köpfe heraufgespült haben, will seine Zeit haben zu trocknen und abgestäubt zu werden: denn an reinem Wasser zum schnellen Abwaschen hat es allenthalben gefehlt.
Den 14., Mittag 12 Uhr.
So bin ich Wider Willen Metaphykopoliticus oder Metapoliticus geworden und in eine mir fremde Region hineingerathen — gleichsam in eine politische Schwebelei, worin wir aber wirklich stecken. Wundersam genug, der Gedanke deutscher Einheit ist ein großer Gedanke und wirklich der allernothwendigste und muß leider mit allen seinen Narrheiten (führen nur nicht auch wirkliche Böse- wichter dazwischen hinein!) immer weiter durchgearbeitet werden. Das kann niemand stärker empfinden und vorempsinden als mein armes altes Herz, und jeder verständige Deutsche muß das Mitempfinden, wenn er es auch nicht versteht. Denn, wer kann die verschlungene Verwickelung und endliche Lösung der Dinge und der Menschengedanken verstehen, wenn er sich vor den dunkeln Spiegel dieser dunklen Zeit stellt? wer kann die Uhr seines Verstandes aus den Stundenschlag des Augenblickes zurechtstellen? Ich kann es nicht und bekenne mit unserem Terentius: I)avu8 8um, llauä Oeächrm.
i) Gemeint ist die Ermordung Lichnowsky's und Auerswald's.