Heft 
(1894) 81
Seite
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Briefe von Ernst Moritz Arndt aus dem Frankfurter Parlament.

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Es reißen sich im Vaterlande eigentlich zwei Kräfte: die einen wollen unter dem Titel der gemißbrauchten deutschen Einheit zur wilden Republik der rothen Mütze, die anderen sollten, damit das roth e Unglück nicht durchbreche, geschwindest ihren Kaiser machen. Es ist aber kein Kaiser möglich als Preußen.

Siehe! so scheine ich mich wieder aus das Feld des Verstandes zu verlaufen und doch verstehe ich es endlich nicht wenigstens das Ende nicht, und noch kein rechtes Ende.

Warum ich schneeweißer alter Mann hier noch sitze, habe ich Dir gesagt: vielleicht einem Schlechteren doch die Stelle zu versitzen und allenfalls wie ein gutes Gewissen irgend eines Jüngeren Herz zu stärken. Um wirksam sein zu können, müßte ich jünger sein, bin 'Wohl überhaupt nicht zu einem politischen Mann der Außenwelt geboren gewesen, sondern von Natur trotz meiner Geselligkeit ein sehr einsamer Mensch, oft ein stummer Stein, aus welchem ein fremder Stahl hie und da ein Feuerfünkchen herausschlagen kann.

Doch ich sehe, es ist gut, daß mein papierner Raum sogleich voll ist. Könnte ich ihn zuletzt mit all der Liebe und Treue füllen, die ich zu Euch tragen muß.

Grüße die Deinen und alle Freunde. Dein E. M. A.

V.

Frankfurt, Sonntag den 29. des Weinmonds 1848.

Ich sehe an den großen Buchstaben, womit ich begonnen habe, daß ich große oder vielmehr, mit' der Bauernempfindung zu reden, eben großmüthige Ge­danken habe, oder wenigstens, daß sie mir in die Fingerspitzen hinausgestiegen sind: denn solche großmüthige pflegen, wie deine metaphysischpsychologische Weis­heit besser als ich versteht, mehr aus dem von den Eingeweiden beherrschten als aus dein heiteren zu entspringen, welches eben, weil es immer in und

auf der Höhe schwebt, dein sich Ueberheben nicht ausgesetzt ist.

In der That, Geliebter, wir haben in den jüngst vergangenen Tagen, wenn auch nicht mit großem Sinn, doch mit großen und großwogigen Gefühlen, über­ein fallendes oder vielmehr über ein zerfallen wollendes und wieder aufzurichtendes Oestreich viel hin und her gestritten, und über diese große Frage wird auch künftig Wohl nicht bloß mit Schwerdtern, sondern auch mit Mäulern und Schreib- sedern noch viel gestritten werden. Es galt die Frage: ob Oestreich an Deutsch­land oder nur halb und unbestimmt mit Deutschland sein sollte oder ganz in Deutschland, und beide, mein Herz und mein Kops, haben für das ganz in Deutschland mit der großen Mehrheit des Reichstags stimmen gemußt. Wir konnten und durften die Grundsätze nicht ausgeben, nach welchen über Schleswig- Holstein, Limburg, Posen u. s. w. gestimmt ist.

Nun die Oestreicher hier im Reichstage? und was sonst noch östreichert? Darüber ein Wort.

Bei der Abstimmung über diese unermeßliche Frage sind die vornehmeren Oestreicher, und was zu den Beamten gehört, begreiflicher Weise für die losere, mehr völkerrechtliche Verbindung, die Plebejer und die Jugend, auch die vom deutschen Geist über die Belange der Gegenwart hinaus mehr angeweheten und durchweheten Gelehrten größtentheils für das ganz in. Man kann Lei solcher Entscheidung, wo die Zukunft so sehr versiegelt vor uns liegt, wie bei Oestreich, nur mit dem plattdeutschen Bauer sagen:Lat 't Warden, wat 't Watt, sed de Erpel un tratt" H. Uebrigens hier in Süddeutschland östreichert es sehr, in Frankfurt natürlich fast viel mehr als anderswo, von wegen alter Gewohnheiten und vorzüglich auch, weil die alte Gewohnheit viele große und mittlere Familien der heiligen Reichsstadt reichlich mit östreichischen Metalliques und anderen

i) -----Lass' es werden, was es wird, sagte der Enterich und trat."