Heft 
(1894) 81
Seite
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Deutsche Rundschau.

VII.

Frankfurt, 22. des Frühlingsmonds 1849.

Nur einen kleinen Gegengrüß, Geliebter, für Deine jüngsten freundlich lieb­lichen Worte. Es ist unmöglich, aus der Ferne sich über viel Einzelheiten zu verständigen; je mehr man dergleichen erklären will, desto mehr oft ganz zufällige Mißverständnisse veranlaßt man auch selbst bei solchen, von welchen man meint, daß sie einen am besten kennen. Also nur Andeutungen.

Du weißt, daß ich mit Dir, und, ich hoffe, mit allen Verständigen, so ziemlich desselben politischen Glaubens bin, daß ich die Gebrechen und Schäden der Zeit, ich möchte sagen ihr Wehe und unser Wehe, voll kenne und anerkenne; aber bei all' dieser Erkenntniß gilt es, nicht zu vergessen, daß eine Sintfluth über uns ge­kommen ist, daß wir aus den schwimmenden Trümmern eben fassen und bergen müssen, was zu bergen ist. Ich habe meinem Herrn H geschrieben, weder Heid noch Christ dürfe nie den Satan anbeten, aber seine Macht müsse er zuweilen anerkennen und ihn mit seinem wilden wüsten Gesindel eine Zeitlang durch galoppiren lassen, bis jenes Gesindel müde wird. Sei das deutsche Volk nicht in Tollheit und Wahnsinn verloren was ich nicht glaube so werde es nach einigen Jahren wieder zur Besinnung kommen, und dann können dem wild gewordenen Rosse die Zügel allmälig wieder straffer angezogen werden.

O die Zeit, lieber Bruder! Ich habe unter den Freunden einige unglaubliche, ich hätte bald gesagt, unmögliche Schwarzweiße gefunden, brave Männer meines Glaubens, aber durchaus verschiedener Ansicht von dem, was jetzt gethan werden könne und müsse. Sie messen Preußen auch mit einer Macht, und der König scheint es auch so zu messen, welche es wahrlich in der gegenwärtigen Welt­stellung und dem gegenwärtigen Weltgefühl des Volkes nicht hat: Es ist leider mit und ohne unsere Schuld Alles so geworden, daß es gleichsam neu werden muß.

Wir stehen hier und auch Preußen steht aus den: Absturz einer großen Epoche. Der König muß hochherzig wagen und den Kaiser annehmen, oder hier sind viele Oder, oder mögliche Möglichkeiten. Lehnt er weiter ab, wo bleibt er, wo bleiben wir? Man könnte uns auch auseinander jagen und scheinbar das Alte wieder Herstellen. Dies könnte Preußen nur mit Oesterreichs und Ruß­lands Hülfe, sich zu einem russischen Vasallen machend. Es würde ein kurzer scheinbarer Sieg sein, aber bald doppelter Abfall der Menschen und Fall des Staats, blutiger Trümmerzusammensturz Deutschlands. Deutschland würde nicht untergehen, aber wahrscheinlich alle Könige und Fürsten Deutschlands und viel Schönes mit, vielleicht auch wir mit; aber sind wir so schön, daß wir nicht mit untergehen wollen? Hier phantasire ich nicht, Geliebter, sondern meine hell zu sehen. Die Einheit Deutschlands und ihr Gedanke ist ein Volksgedanke geworden, und unfern König ruft der Ruf, sie edel und königlich bauen und vollenden zu Helsen. Beten wir, daß er den Ruf Gottes und der Zeit erkenne. Wir schauen diese Zeit eben aus dem vagen und ängstigenden Gefühl des Augenblicks, aber müssen uns trösten, daß Gott dem deutschen Volke einen großen, weiten Weg ge­wiesen hat, einen Weg voll Dornen freilich, in welchen wir uns die Füße mit Vielen wund und blutig treten müssen. Wenn ich auch bald fort muß, werde ich das kleine Erdküglein hoffentlich nicht in Verzweiflung verlassen.

Tausend Gruß und Ade! Dein alter E. M. Arndt.

fl Arndt's Brief an Friedrich Wilhelm IV. und des Königs Antwort sind abgedruckt bei Schmettau im Leben Friedrich Wilhelm's IV.