Hermann von Helmholtz
^Nachdruck untersagt.j
Der große Forscher und Entdecker, dessen siebzigster Geburtstag vor genau drei Jahren von der ganzen civilisirten Welt festlich begangen ward — Hermann von Helmholtz ist nicht mehr. Auch hier ist damals, im Octoberheft 1891, von berufener Hand versucht worden, die wissenschaftlichen Großthaten, die seinem Namen Unsterblichkeit verliehen haben, unseren Lesern im Zusammenhänge darzustellen; heute bleibt uns nichts, als — unter dem ersten Eindrücke des Verlustes — der schmerzliche Rückblick, und — in der dauernderen Betrachtung dessen, was unvergänglich an ihm ist —- das „stolze Wort" des auch von ihm so sehr geliebten Dichters: „Denn er war unser!"
Aus das zurückzukommen, was Helmholtz auf allen Gebieten des Naturerkennens geleistet, mit welch' genialem Blick er in ihre geheimnißvollen Tiefen gedrungen, mit welchem Scharfsinn ihre räthselhaften Vorgänge beobachtet und aus ihnen bisher verborgene Gesetze gefolgert hat, deren Kenntniß unser theoretisches Wissen erweitert und deren Anwendung das Wohl der Menschheit befördert: das auszuführen, ist in dieser Stunde nicht möglich; aber es ist auch nicht nöthig. Denn schlage man das Buch gelehrter Untersuchung auf, wo man will, überall, auf jedem Blatte wird man den Spuren dessen begegnen, der durch Rechnen, Messen und Wägen nicht nur die Konstanz der Energie nachgewiesen, den elektrischen Strom bestimmt und den Augenspiegel entdeckt, sondern auch, bis zur Lösung der höchsten und feinsten Probleme der Sinnesempfindungen vordringend, der Aesthetik, vornehmlich der Tonkunst, eine neue, natürliche Grundlage gegeben hat. Es ist vielleicht mehr denn Zufall, daß in dem vorliegenden Hefte ein anderer berühmter Forscher, der seiner Wissenschaft vorzeitig entrissen worden, den Verfasser der „Lehre von den Tonempfindungen" als einen Derjenigen nennt, der ihn zu seinen Reflexionen über das Thema: „Wer ist musikalisch?" angeregt habe. Desgleichen wird den Lesern dieser Zeitschrift unvergessen fein die Weimarer Rede über: „Goethe's Vorahnungen kommender naturwissenschaftlicher Ideen" H, in welcher Helmholtz, vom naturwissenschaftlichen Standpunkte aus, feine Auffassung von der Kunst im Allgemeinen dahin präcisirt, „daß die Kunst, wie die Wissenschaft, Wahrheit darstellen und überliefern kann", und also die einheitliche Wurzel beider andeutet; wenn er dann auch freilich, was wir unseren „Modernen" in Erinnerung rufen möchten, alsbald hinzufügt: „Wer die feineren Wirkungen der Kunst noch nicht kennen gelernt hat, läßt sich leicht . . . verleiten, absolute Naturtreue als den wesentlichen Maßstab . . . anzusehen." Aber die künstlerische Darstellung dürfe nicht eine Copie des einzelnen Falles fein, „sondern eine Darstellung des Typus der betreffenden Erscheinungen". Das Ge- heimniß der Schönheit in der Kunst beruhe darauf, daß der Künstler den individuellen Fall umformt, „aber ohne aus der Gesetzlichkeit des Typus herauszu-
Deutsche Rundschau, 1892, Bd. ÜXXII, S. 115 ff. Deutsche Rundschau. XXI, U
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