Wirthschasts- und finanzpolitische Rundschau.
^Nachdruck untersagt.j Berlin, Mitte September 1894.
Schon oft hat in den letzten Jahren im Vordergründe aller wirtschaftlichen Debatten das Steuerwesen gestanden. Aber noch niemals ist bei uns über Steuern so viel geredet, geschrieben, berathen und beschlossen worden, als während der letzten Monate. Und noch ist diese Fluth von Erörterungen in weiterem Fortgange begriffen bis zu dem großen Tage des 1. April 1895, an welchem zugleich mit dem neuen Communalabgabengesetz nach Möglichkeit auch schon die Beschlüsse der Gemeinden in Kraft treten sollen. Wenn das Deutsche Reich eine Finanzresorm plant, so ist es doch immer nur ein Gemeinwesen, dessen Organe zu berathen haben, und ebenso ist es, wenn der preußische Staat eine Steuerreform durchführt. Ein Communalabgabengesetz in dem größten deutschen Staate aber bedeutet die Umwandlung von 30—40 000 kleinen Finanzverfassungen. In jeder Stadt und in jeder Landgemeinde müssen die principiellen Fragen erörtert und entschieden werden. Von der Residenz bis herab zum Flecken und zum Dorf constituirt sich jede Gemeindevertretung als ein kleines Steuerparlament. — Noch vor zwanzig Jahren wäre es fast lächerlich gewesen, in einem Ueberblick über das deutsche Wirtschaftsleben ein Communalabgabengesetz als das hervorstechendste Ereigniß zu erwähnen. Anders heute, wo die Anforderungen an den Steuerzahler so bedeutend erhöht sind und jeder Verständige einsieht, daß die Erhöhungen noch lange nicht an ihrem Ende angelangt sind, wo die Neuregelung auch der örtlichen Steuer-Verfassung zu hartnäckigen Ueberwälzungskämpfen zwischen den verschiedenen Klassen der Bevölkerung führt, und wo alle Betheiligten die Debatte mit dem vollen Bewußtsein der principiellen Bedeutung führen. Darum bietet gerade die Neuregelung der communalen Finanzen ein geeignetes Beispiel, um auch grundsätzliche Fragen der Steuerlehre zur Darstellung zu bringen.
Man hat Wohl Staats- und communale Abgaben in der Weise gegenübergestellt, daß dort die Steuern nach der Leistungsfähigkeit, hier nach dem Interesse vertheilt werden, welches der Einzelne an den Leistungen des Gemeinwesens hat. In dieser scharfen Formulirung ist die Gegenüberstellung nicht zu billigen. Denn auch die Kommunen können nicht darauf verzichten, selbst das gleichgültigste Mitglied, das von den communalen Einrichtungen gar nichts oder wenig genießt, wenn es leistungsfähig ist, gleichwohl heranzuziehen; der Grundsatz „Einer für Alle und Alle für Einen" ist eben bis zu einem gewissen Grade die Grundlage jedes öffentlich-rechtlichen Gemeinwesens. Allein soviel ist doch an jener Gegenüberstellung richtig, daß die Vertheilung der Lasten nach Maßgabe des Interesses in der Commune, wenn auch nicht eine ausschließliche, so doch eine viel größere Rolle spielt als im Staate. Namentlich sind es die Grundbesitzer und die Gewerbetreibenden, welche von den communalen Einrichtungen für die Steigerung ihres Besitzthums, für die Rentabilität ihrer Betriebe einen besonderen Vortheil haben. Dies kam in