Wirthschafts- und finanzpolitische Rundschau.
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-er bisher üblichen Steuervertheilung in den preußischen Gemeinden nicht zur Erscheinung. Indem man fast den ganzen Bedarf durch Zuschläge aus die Einkommensteuer deckte, hatte man den Anschein der größten Gerechtigkeit für sich; denn was kann gerechter scheinen, als die Steuern nach Maßgabe des Einkommens zu vertheilen? Allein indem auf diese Art für Maßregeln, welche den Grund und Boden im Werthe steigerten und den Gewerbebetrieb lukrativ machten, auch Diejenigen Beiträge zahlen mußten, welche weder am Grundbesitz noch am Gewerbebetrieb betheiligt waren, schlug diese Gleichheit in Wirklichkeit dazu aus, die große Mehrzahl der Bevölkerung den Grundbesitzern und Gewerbetreibenden tributpflichtig zu machen. Da es nun in Preußen gesetzlich keine Gemeindevertretung geben kann, in welcher nicht die Grundbesitzer und Gewerbetreibenden zusammen die geradezu überwältigende Mehrheit haben, so folgt daraus von selbst, daß man die Regelung dieser Angelegenheit nicht dem guten Willen von Vertretnngskörpern überlassen kann, welche ein Interesse daran haben, sie anders als sachgemäß zu regeln. Das Communal- abgabengesetz hat daher gewisse Vertheilungsregeln aufgestellt, deren Grundgedanke dahin geht, daß ein gewisser Theil des Steuerbedarfes durch Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuern (sogenannte Realsteuern) vorweg gedeckt werden und nur der Rest auf die Einkommensteuer repartirt werden soll. Die Regel ist dabei, daß die Einkommensteuer mindestens mit den gleichen Procenten wie die Reälsteuern herangezogen werden soll und höchstens mit den anderthalbfachen. Solange die Realsteuern 100 Procent nicht übersteigen, können die Sätze der Einkommensteuer ermäßigt werden; betragen die Prozente sämmtlich bereits 150, so können von da an für jedes Procent Real- zwei Procent Einkommensteuer zugeschlagen werden. Sätze über 100 Procent der Einkommen- oder über 200 Procent der Realsteuern bedürfen der Genehmigung.
Ist es nun schon etwas schwierig, bloß mit Hülfe der Regeldetri - Rechnung in eonereto die Frage zu beantworten, in welcher Weise eine Gemeinde ihren Steuerbedarf aus die verschiedenen Steuergattungen vertheilen kann, so wird in der praktischen Ausführung im Lause der Jahre die Frage sich noch viel verwickelter gestalten. Die Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuern sind ihrem Ursprünge nach keineswegs communale Abgaben. Der Staat hat sie für seine Zwecke geschaffen und geformt und erst jetzt den Gemeinden überwiesen. Diese Steuern nehmen sich daher im communalen Finanzwesen etwas sonderbar aus. Die preußische Grundsteuer hat der Staat als Rückgrat seiner Finanzen nach dem Gesetz von 1861 mit einem ewigen Kataster festgestellt; die Gebäudesteuer unterliegt zwar einer Revision, aber nur alle fünfzehn Jahre; die Gewerbesteuer wird allerdings jährlich veranlagt, aber in gewissen Durchschnitten über ganze Kreise und Regierungsbezirke hin. Eine Gemeinde, in welcher (etwa durch Einführung des Rübenbaues) die Felder in verschiedenem Grade an Werth gewonnen haben, kann eine irgendwie bedeutende Last unmöglich nach dem Maßstabe der Ertragsfähigkeit vertheilen, welche die Felder im Jahre 1861 gehabt haben (dies und nichts Anderes ist der sogenannte „Grundsteuer-Reinertrag"). Eine großstädtische Gemeinde mit lebhaft entwickelter und in den verschiedenen Stadttheilen verschiedener Miethssteigernng wird auch wenig geneigt sein, die Steigerung der Mietverträge fünfzehn Jahre lang unbesteuert zu lassen, bloß deswegen, weil der preußische Staat, der mit dem Durchschnitt der verschiedensten Verhältnisse (darunter auch mit ländlichen Ortschaften, in denen Mieths- preise nur äußerst schwer zu ermitteln sind) rechnen mußte, es für angebracht hielt, nur alle fünfzehn Jahre die Kataster zu revidiren. lind was geht vollends eine Gemeinde, die ihre Gewerbe veranlagen will, der Stand der Gewerbe in anderen Gemeinden desselben Kreises oder desselben Regierungsbezirkes an? Aus allen diesen Gründen hat das Gesetz den Gemeinden das Recht gegeben, „besondere" Realsteuerverfassungen einznführen und zwar nach freien Maßstäben. Allein wenn eine Gemeinde etwa Grund- und Gebäudesteuern vom Ertrage des letzten Jahres oder eine Gewerbesteuer nach der Anzahl der Maschinen ausschreibt, so bleibt sie darum für