142
Deutsche Rundschau.'
Gebiete der Steuertechnik gewesen. Der Gedanke, den Einzelnen nach Maßgabe seines Einkommens und seines Vermögens zu den öffentlichen Bedürfnissen heran- züziehen, ist bei uns eine Erfindung des Bürgersinnes. Erst von den Städten ist diese Erfindung aus den Staat übergegangen und dann allerdings in Preußen in Form einer allgemeinen Einkommen- und Vermögenssteuer geradezu mustergültig ausgebildet worden. In dieser Beziehung nimmt Preußen heute die erste Stelle in der gesammten civilisirten Welt ein und bezeichnet den Zielpunkt, welchem andere deutsche und außerdeutsche Staaten zustreben. Wenn erst die Gemeinden und namentlich die Städte aus dem Wust von indirecten Steuern das praktisch Brauchbare herausgearbeitet haben werden, so wird der Staat ohne Zweifel sich dieser steuertechnischen Erfindungen wiederum bemächtigen, sie in einen gewissen Durchschnitt bringen und dem Staatssteuersystem einverleiben, um wiederum anderen Staaten zum Muster zu dienen. So kann man sagen, daß den Versuchen, welche gegenwärtig in den kleinen Steuerparlamenten der preußischen Gemeinden gemacht werden, eine geradezu weltgeschichtliche Bedeutung zukommt.
Vom großen Weltmarkt wären zumeist nur kleine Vorgänge zu berichten. In Portugal wird der Ausgleich aus der erwarteten Basis perfect, das Deficit vermindert, aber nicht gänzlich beseitigt. Mit Spanien stehen wir noch immer in einem mit gemüthlicher Ruhe betriebenen Zollkrieg. In Italien ist mit Hängen und Würgen etwas zu Stande gekommen, was man Finanzreform nennt, gleichzeitig hat aber die Freisprechung der Betrüger von der Banca Romana in- und außerhalb des Landes ein peinliches Aussehen erregt; man nimmt allgemein an, daß die Geschworenen freisprachen, weil sie die Hauptschuldigen hinter den Coulissen vermutheten. Noch hat Italien eine letzte Möglichkeit, sich zu rehabilitiren, wenn es bei der bevorstehenden Budgetberathung mit der Absicht, unnütze Ausgaben zu streichen, Ernst macht. —- Der griechische Staatsbankerott ist von: feinen Humor bis zur völligen Verhöhnung der Gläubiger vorgeschritten. Und obgleich man hier die klare Erfahrung macht, daß ein Staat, wenn er will, auch einen Griff in die Psandkassen thut, so begnügen sich doch eben jetzt die serbischen Staatsgläubiger mit einem Abkommen, wonach die verpfändeten Einkünfte durch directe Abführung an die Nationalbank gesichert sein sollen. — Der Eindruck des Weltmarktes ist noch immer der der Stagnation. Das Capital wagt sich nicht an neue Unternehmungen. Die Ausweise der großen englischen Banken geben von der Lage des internationalen Geldmarktes das deutlichste Abbild. Im letzten Jahrzehnt stellte sich der Discont bei der Lanü ol Ln^Ianck und bei den Privatbanken an dem mittelsten Tage des Jahres (30. Juni) wie folgt:
Bankrate Privat-Discont
F
s
ä
F
8
ä
1885 .
. 3
9
7
2
12
3
1886 .
. 2
12
5
1
12
0
1887 .
. 3
4
1
2
0
0
1888 .
. 2
12
6
1
11
11
1889 .
. 3
0
1
2
2
0
1890 .
. 4
4
8
3
0
9
1891 .
. 8
11
6
2
14
11
1892 .
. 2
13
1
1
9
3
1898 .
. 2
16
4
1
17
2
1894 .
. 2
4
8
1
5
8
In der ganzen Periode hat sich das Geld also noch niemals zu so billigen Preisen an den Markt gedrängt, wie gegenwärtig. Die Lage des Geldmarktes macht am meisten Oesterreich sich zu Nutze, indem es in der Valutareform weiter vorschreitet und die Einguldennoten, die sogenannten „Einser" einzieht. Wenn im Uebrigen in der letzten Zeit Wien, Berlin und andere Börsen wieder mit den Haussebewegungen begonnen haben, so läßt sich bis jetzt nicht überblicken, ob hier