Politische Rundschau.
^Nachdruck untersagt.1 Berlin, Mitte September.
Mit hoher Befriedigung sind nicht: nur in Deutschland, sondern überall im Auslande, wo der Friede als ein werthvolles Gut geschätzt wird, die Worte vernommen worden, die Kaiser Wilhelm II. bei seinem Empfange in Königsberg aus die Ansprache des Oberbürgermeisters der Hauptstadt Ostpreußens erwidert hat. War von dem Vertreter des städtischen Gemeinwesens bei der Begrüßung des kaiserlichen Paares darauf hingewiesen worden, daß in der Ostmark des Reiches jeder Fleck durch das Schwert dem Deutschthume gewonnen sei, und daß jedes neue Friedensjahr, jeder Tag zum Danke gegen Gott ausruse, der diesem Lande und dieser Stadt in dem Geschlechts der Hohenzollern nun bereits vier Jahrhunderte hindurch stets Schirm und Stütze gewährt habe, so bekräftigte der Kaiser in bedeutsamen Worten eine solche Auffassung. Sein kaiserliches Wort setzte er dafür ein, daß, wenn dieses Land mit dem Schwerte von den Hohenzollern gewonnen worden sei, es durch Werke des Friedens erhalten werden solle. Im Auslände wird diese Sprache sicherlich nicht mißverstanden werden; bekundet sie einerseits in vollgültiger Weise, daß der Kaiser, insofern es von ihm abhängt, entschlossen ist, den Frieden zu wahren, so legt sie andererseits Zeugniß dafür ab, daß Deutschland sich zugleich seiner eigenen Kraft bewußt ist, die, sobald die Umstände es erheischen sollten, wuchtig in die Wagschale fallen wird. Daß ein so weihevoller Act wie die Enthüllung des Denkmals Kaiser Wilhelm's I. dessen Enkel Gelegenheit bot, in unverbrüchlicher Weise seine Friedensliebe zu betonen, muß den kaiserlichen Worten eine besondere Tragweite verleihen.
Hatte die erste Kundgebung Kaiser Wilhelm's II. insbesondere sür die hohe Politik und sür die gesummte Culturentwicklung Bedeutung, so erhob sich auch die Ansprache, die er am 6. September bei dem Festmahle im Schlosse von Königsberg an die Vertreter der Provinz Ostpreußen richtete, weit über das Niveau der bei ähnlichen Anlässen üblichen Reden. Insbesondere waren es diesmal die inneren Verhältnisse Preußens und Deutschlands, die zu ernsten Betrachtungen Anlaß boten. Gewann es bei den parlamentarischen Debatten der letzten Session öfter den Anschein, als ob die conservative Partei, weit entfernt, einen staatserhaltenden Factor darzustellen, sich vielmehr Strömungen zugänglich erwies, die über eine loyale Opposition hinausgingen, nahm insbesondere der Feldzug gegen den russischen Handelsvertrag in Verbindung mit den extrem agrarischen Bestrebungen hie und da einen gewissermaßen demagogischen Charakter an, so betonte Kaiser Wilhelm die Fürsorge, die er während seiner Regierung bereits den berechtigten Interessen der Landwirthschast angedeihen ließ. Er gab aber zugleich seiner Betrübniß darüber Ausdruck, daß seine besten Absichten in den ihm nahe stehenden Kreisen des Adels mißverstanden, zum Theil bekämpft worden wären, daß man sogar das Wort „Opposition" habe vernehmen lassen. Wenn dann eine Opposition preußischer
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