Heft 
(1894) 81
Seite
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Deutsche Rundschau.

Adliger als ein Unding bezeichnet wurde, so mag diese Aussassung vom konstitu­tionellen Standpunkte aus immerhin berechtigte Anfechtung ersahren; nicht außer Betracht bleiben dars jedoch, daß gerade innerhalb des Adels eine solche Betrach­tungsweise fest gewurzelt ist. Daß die Interessen der Landwirthschast Ostpreußens in den letzten Jahren in der That eine kräftige Förderung ersahren haben, erhellt aus den in der kaiserlichen Ansprache hervorgehobenen Ziffern.

Weit über die Grenzen Ostpreußens hinaus gewinnen aber die Worte Be­deutung, in denen die Abwehr der von Seiten der Umsturzelemente drohenden Ge­fahren als die hauptsächliche Ausgabe der staatserhaltenden Parteien bezeichnet wurde. An die erhebende Feier der Denkmalsenthüllnng anknüpsend, betonte der Kaiser, daß die Statue Wilhelm I. zeige, wie er das Reichsschwert, das Symbol von Recht und Ordnung, erhoben in der Rechten trage. Hierin wird die Mahnung an Alle erblickt, ihrer Pflichten und des ernsten Kampfes wider die Bestrebungen eingedenk zu sein, die sich gegen die Grundlage des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens richten.

In Frankreich bieten die parlamentarischen Ferien den Mitgliedern der Regie­rung regelmäßig Gelegenheit, in Banketreden, die sie in der Provinz halten, politische Fragen, die gerade auf der Tagesordnung stehen, zu erörtern. In jüngster Zeit war es der Minister der öffentlichen Arbeiten, Barthou, der aus Anlaß der Vollendung der Hasenarbeiten in Sables-d'Olonne das Programm des Mini­steriums Dupuy von Neuem entwickelte. Es war nicht eben leicht, in der Hafen­stadt der Vendee, wo die alten Gegensätze zwischen denWeißen", den Nachkommen der alten Royalisten im Kriege der Vendee gegen die erste französische Republik, und denBlauen" noch nicht völlig ausgeglichen sind, das versöhnende Wort zu finden. Dies ist denn auch allem Anscheine nach Herrn Barthou nicht gelungen. Charakteristisch war bereits, daß der Antagonismus, der im Generalrathe des Vendäe-Däpartements herrscht, sogleich insofern zum Ausdrucke gelangte, als zunächst die conservative und dann die republikanische Gruppe der Departementalvertretung sich zur Begrüßung des Ministers der öffentlichen Arbeiten einfand. Herr Barthou unterließ allerdings nicht, den Wunsch zu äußern, daß die Einigung auf der Grund­lage der herrschenden republikanischen Institutionen sich vollziehen möchte; die Banketrede, die er am Abende im Stadthause von Sables-d'Olonne hielt, war jedoch nicht geeignet, die bestehenden Gegensätze zu verwischen. Zwar betonte der Minister, daß die Vergangenheit der Vendee trotz aller tief bedauerlichen Ereignisse, die sie ausweist, ihren ruhmreichen Charakter habe; allein er unterließ nicht, von der verhängnißvollen Unwissenheit der Ahnen zu sprechen. Daß in einem Theile des Landes, wo gerade der Familiensinn angelegentlich gepflegt wird, wo manches Geschlecht heute noch mit Stolz auf die Vorfahren blickt, die sich im Feldlager der Weißen ausgezeichnet haben, solche Anspielungen verfehlt sind, braucht nicht erst besonders betont zu werden. Nichts läßt sich andererseits dagegen einwenden, daß der Minister die Regierung gegen den Vorwurf reaktionärer Gesinnung verwahrte, die darin gefunden werden soll, daß sie das Gesetz gegen die Anarchisten in der Deputirtenkammer einbrachte und erfolgreich vertheidigte. Das Ministerium hatte eben die Pflicht, nach den zahlreichen anarchistischen Verbrechen, insbesondere nach der Ermordung des Präsidenten der Republik, Staat und Gesellschaft zu schützen. Nicht minder darf dem Vertreter der französischen Regierung zugestimmt werden, wenn er im Hinblick aus die zahlreichen Reformen, deren das Land bedarf, die Nothwendigkeit betonte, von den müßigen Debatten und Interpellationen im Parlamente Abstand zu nehmen. Konnte er doch hervorheben, daß seit dem Be­ginne der Legislaturperiode nicht weniger als neunundsünszig Interpellationen oder Anfragen stattgefunden haben. Dagegen ist nichts Ernsthaftes geschehen, um die Ausrechterhaltung oder vielmehr die Wiederherstellung des Gleichgewichtes im Staatshaushalte zu erreichen. Nicht wird es mehr möglich sein, durch Maßregeln wie die Convertirung der Rente ein größeres Deficit zu verhüten; vielmehr ist eine