Politische Rundschau.
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staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung verspürt werden, während zugleich die ganze Politische Vergangenheit des leitenden italienischen Ministers eine ausreichende Garantie dafür ist, daß mit den öffentlichen Gewalten kein Mißbrauch getrieben werden wird.
War es insbesondere das Gebiet der Colonialpolitik, aus dem seit der Einnahme Kassala's durch die italienischen Streitkräfte die Oppositionsblätter Crispi zu bekämpfen versuchten, so hat gerade diese Politik soeben zu einem beachtenswerten Erfolge Anlaß geboten. Der italienische Conseilpräsident selbst hat zu wiederholten Malen erklärt, daß er keineswegs von feindseliger Gesinnung gegen den Vatican beseelt sei, daß er vielmehr bei aller Entschiedenheit, die Hoheitsrechte des Staates zu wahren, einem Ausgleiche zwischen Quirinal und Vatican bereitwillig zustimmen würde. Noch vor wenigen Jahren erregte es in Italien großen Unwillen, als die Bestrebungen des damals noch lebenden französischen Kardinals Lavigerie, den italienischen geistlichen Einfluß aus der Regentschaft Tunesiens zu verdrängen, durch die Mitwirkung der OonA-raAnlio äk Urox-agancta Illäa zum Ziele führten. Damals mußten die Capuziner italienischer Nationalität das Feld räumen, und dies war im Hinblick aus die zahlreiche in Tunesien lebende italienische Bevölkerung für diese sowohl als auch für das Mutterland ein schwerer Schlag, da mit dem geistlichen Verkehre in der heimathlichen Sprache auch ein wesentliches nationales Element beseitigt und dem französischen Einflüsse Vorschub geleistet wurde. Hier zeigte sich, daß die italienischen Capuziner trotz des zwischen der römischen Curie und dem Quirinal bestehenden Antagonismus sich vor Allem als Italiener fühlten. Die Schritte, die sie bei der OouArsAatio äs UrozraAanäa kNcks unternahmen, um den Beschluß zu Gunsten der vom Cardinal Lavigerie geführten französischen Geistlichkeit rückgängig zu machen, scheiterten. Inzwischen machte die Annäherung des Papstes an die französische Republik Fortschritte, so daß das nunmehr von der „1ll-oxa»anäa" aus Anordnung des Papstes erlassene Decret hinsichtlich der italienischen Colonie Eritrea um so mehr überraschen muß.
Beanspruchte Cardinal Lavigerie den Primat und die geistliche Jurisdiction über die Katholiken des nördlichen Asrika's, so bestimmt das soeben erlassene Decret der erwähnten Kongregation, daß für die italienische Colonie eine besondere, von der französischen unabhängige Präfeclur mit dem Sitze in Keren geschaffen werden soll, deren Jurisdiction sich aus die gesammte italienische Einflußsphäre erstreckt. Man braucht sich nicht allzu optimistischen Erwartungen hinsichtlich einer bevorstehenden Aussöhnung zwischen dem italienischen Königthume und dein Papstthume hinzugeben; immerhin bezeichnet der aus Rom gemeldete Vorgang einen Fortschritt in dieser Hmstcht, zumal da gleichzeitig zwischen der römischen Curie und dem Ministerium Crispi eine Einigung in Bezug aus die Besetzung des Patriarchenstuhls von Venedig, für den dem Könige von Italien das Patronatsrecht zusteht, -erzielt worden ist. Nicht minder hat die italienische Regierung durch die Verleihung des Exequatur au verschiedene Bischöfe ihr Entgegenkommen bewiesen. Als friedliche Symptome für die innere Entwickelung Italiens dürfen alle diese Thatsachen nicht -außer Betracht bleiben. Sicherlich bedurfte es für ein solches Ergebniß nicht bloß der Geschicklichkeit des leitenden italienischen Staatsmannes, sondern auch des guten Willens des Papstes, der bereits öfter im Gegensätze zu seinem Vorgänger Pius IX. Mäßigung und Besonnenheit an den Tag gelegt hat.
Weniger glücklich als die italienischen Colonialtruppen bei Kassala sind die niederländischen Streitkräfte auf der östlich von Java gelegenen, von diesem durch die Insel Bali getrennten kleinen Sundainsel Lombok gewesen. Der Verlust der Niederländer beziffert sich aus nicht weniger als achtundzwanzig Osficiere und 364 Mann, die theils todt, theils verwundet, theils vermißt sind. Ein holländisches Blatt hebt hervor, daß der „Parademarsch" durch die Insel, der unternommen werden sollte, um der Bevölkerung eine Vorstellung von der niederländischen Kriegsmacht zu geben, zum Todesmarsch geworden sei. Was diese Bevölkerung betrifft, so setzt sie sich aus den Ureinwohnern, den Sassak — sie bilden die weit überwiegende Mehrheit —, etwa 20 000 Balinesen, die von der benachbarten Insel