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Deutsche Rundschau.
Bali eingewandert sind und die herrschende Klasse bilden, sowie einigen tausend- Malaien zusammen. Wie nun die Sassak den Niederländern, deren Oberhoheit die eingeborenen Fürsten seit dem Jahre 1840 anerkannt haben, keineswegs die Treue gewahrt haben, trachten die Balinesen danach, sür ihre Insel Bali, sowie für Lombok, die zusammen eine Provinz Niederländisch-Indiens bilden, die Selbständigkeit zu erlangen und das fremde Joch abzuschütteln. Sehr unvorsichtig handelte jedenfalls der niederländische Chef der Expedition, als er die gesammten ihm zur Verfügung stehenden Streitkräste in drei Colonnen theilte, die dann an verschiedenen Stellen, von den Balinesen angegriffen und geschlagen wurden. Diese werden als kräftige, musculöse Krieger geschildert, die, Wohl bewaffnet, mit Todesverachtung kämpfen. Inzwischen haben die niederländischen Streitkräste einen Erfolg über die Balinesen davongetragen, indem sie von diesen vertheidigte Befestigungen mit schwerer Artillerie beschossen und ohne Widerstand eroberten, wobei ihnen viele Gewehre und andere Waffen in die Hände fielen. Jedenfalls wird es aber noch schwerer Opfer bedürfen,, ehe es ihnen gelingen mag, die alte Position wiederzuerlangen.
Während sich solche Vorgänge aus einer kleinen Insel der Sunda-See, südlich vom südchinesischen Meere, abspielen, dauert nördlich von diesem der Krieg zwischen China und Japan fort, ohne daß es bisher zu einer Entscheidung gekommen wäre. Für Deutschland muß daran festgehalten werden, daß weder für den einen noch für den anderen der kriegführenden Staaten Partei zu ergreifen ist. Zugleich darf nach wie vor der zuversichtlichen Erwartung Ausdruck geliehen werden, daß die übrigen europäischen Mächte dieselbe Zurückhaltung beobachten.
Diese Zurückhaltung hat sich auch iu Europa sür Deutschland in dem Verhältnisse zu Bulgarien in vollem Maße bewährt. Die Zustände daselbst haben inzwischen seit der Entlassung Stambulow's und dessen Ersetzung durch Stoilow eine Wendung erhalten, die Beachtung verdient. Hatte Prinz Ferdinand, als er sich von seinem früheren ersten Rathgeber trennte, die Hoffnung gehegt, daß die Beziehungen zu Rußland eine Besserung erfahren würden, so ward ihm sehr bald eine Enttäuschung zu Theil, wie er durch die Sprache der russischen Blätter belehrt werden mußte. Allerdings hat nun auch der Nachfolger Stambulow's, Stoilow, bei Unterredungen, sowie in anderen Kundgebungen versichert, daß das neue bulgarische Ministerium keineswegs gewillt sei, für die Anerkennung des Prinzen Ferdinand als Fürsten von Bulgarien Zugeständnisse an Rußland zu machen. Inzwischen hat der frühere leitende Staatsmann in Bulgarien aus Anlaß der in
einein deutschen Blatte erfolgten Veröffentlichung einer Unterredung, in welcher er
au der Persönlichkeit und dem Verhalten des Prinzen Ferdinand die schroffste Kritik übte, sich ein gerichtliches Verfahren in Sofia zugezogen, wobei dahingestellt bleiben muß, ob dieses im Hinblick auf die Publication im Auslande
den allgemeinen Rechtsgrundsätzen entspricht. Dieser Einwand wurde, wie zu erwarten stand, von Stambulow sogleich erhoben; gegen Kaution ist er dann sreigelassen worden. Tie Scenen, die sich vor Gericht und später auf der
Straße abspielten, ermangelten nicht eines gewissen dramatischen oder vielmehr drastischen Charakters, indem dort die Anhänger des früheren bulgarischen Premierministers für ihn in ostentativer Weise die geforderte Kaution entrichteten, hier thätliche Ausschreitungen gegen ihn stattfanden, die wenig im Einklänge mit seinen Verdiensten um das junge Staatsgebilde standen. Daß Stambulow unmittelbar darauf in einem au den Prinzen gerichteten Schreiben ihn für die Ausschreitungen Einzelner verantwortlich machte, spricht jedenfalls nicht für feine Besonnenheit im Privatleben, während er als Staatsmann oft genug gezeigt hatte, daß er Maß zw halten im Stande sei. „Deutsche Interessen werden durch diese oder andere bulgarische Bewegungen nicht berührt"; der also gefaßte Hinweis, der am 21. August 1886 von autorisirter Seite an die Nachricht von der Vertreibung des Fürsten Alexander geknüpft wurde, gilt hinsichtlich der Vorgänge in Bulgarien jedenfalls auch heute noch in unveränderter Bedeutung.