Heft 
(1894) 81
Seite
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Deutsche Rundschau.

Appetit des Lesers doch am Ende mehr gereizt als gesättigt sein werde. Manchmal mag das auch zutreffen, und jedensalls entspricht das Ganze dem heutigen Lause der Welt, mit dem sich alle Theile abfinden müssen.

Nun aber beginnt eine neue Verlegenheit. Monod schreibt ein Buch. Aber das Buch handelt wieder von anderen Büchern. Es behandelt Renan, Taine und Michelet und ihre sämmtlichen Werke. Soll man nun von diesen Dreien, oder von Mouod's Buch, oder von diesem, dem Autor selbst, in der Hauptsache reden? Soll der Leser dahin gebracht werden, die Werke jener Drei, oder das Werk über sie, oder keines von allen zu lesen und sich nur ein Bild zu machen von dem, was der Eine über die Drei sagt? Da wird mau sich am leichtesten helfen, indem mau sich nicht zu lange besinnt, sondern den Gedanken, wie sie kommen, freien Lauf läßt. Sie werden von Allem etwas bringen, und das klebrige mag der Leser entscheiden.

Gabriel Monod ist den deutschen Kennern der neueren französischen Literatur kein Unbekannter. Auch ich habe in dieser Zeitschrift seiner H früher gedacht. Er gehört zu den wenigen Schriftstellern seiner Nation, die sich von jeder aus dem großen Kriege zurückgebliebenen Trübung des Urtheils frei gehalten haben. Schon unmittelbar nach dem Friedensschluß hat er in seiner BroschüreLraueaw st Xllsmantw xsnäant la gusrrs" seine Beobachtungen aus der Zeit seiner Krankenpflege im Felde in einer unbefangenen, von den damals beliebten Einseitigkeiten freien Darstellung veröffentlicht. Dieser Haltung ist er in den seitdem verlaufenen zwei Jahrzehnten durchaus treu geblieben. Man hat das in Deutschland öfters daraus erklären wollen, daß er einer Schweizer Protestantenfamilie entstamme. Aber Monod ist in Frankreich (Havre) geboren und erzogen, von Jugend aus in französischen Anstalten für den höheren staatlichen Lehrerberus ausgebildet, so namentlich in der Looks normale, dem Nährboden, könnte man sagen, des specisisch französischen Bildungs­ganges; er ist geradezu ein lebendiger Beleg dafür, daß man ein feuriger Patriot sein kann, ohne dem Chauvinismus zu opfern. Daß seine Familie schweizerischen Ursprunges wäre (in diesem Falle, wie in vielen ähnlichen, vielleicht ehemals ver­triebenen französischen Resormirten entstammend) hätte ihn, wenn wir nach berühmten Mustern schließen sollen, eher ins Lager der Deutschenfresser Hineintreiben können. Der Verfasser des?a^8 <ks8 Mlliai-tll" ist Schweizer und der Verfasser derNüra Uokäsuis" nicht minder. Es ist mir ausgefallen, wie oft auch in Norddeutschland ähnliche Ultranationale, teutonischer und antisemitischer Richtung, französische Namen tragen, d. h. von den Einwanderern aus Ludwig's XIV. Zeit abstammen. Es liegt Wohl gerade in diesem Verhältniß ein Sporn, die Assimilation um so schärfer hervorzukehren.

Wenn nicht Abstammung, so hat aber vollendete vielseitige Ausbildung das Ihrige gethan, um Monod zu einem Typus jener Vorurtheilslosigkeit zu erziehen, die aus gründlicher Kenntniß fremder Nationen beruht, ein Vorzug, der von jeher den Deutschen zukam, und trotz Allem nicht so sehr abhanden gekommen ist, wie manche augenfällige Erscheinung glauben machen könnte. Monod ist mit deutschen, englischen, italienischen Verhältnissen lebendig vertraut, persönlich mit vielen ihm Geistesverwandten dieser Länder verbunden. Seine Thätigkeit als Gelehrter und Schriftsteller, eine rastlose und vielseitige, streut überall den Samen humanen Ver­ständnisses aus. Zur Zeit ist seine Arbeitskraft vor Allem der von ihm heraus­gegebenen vortrefflichenllsvus biMorigus" gewidmet. Daneben wirkt er als Lehrer an der Leols normale, aus der er hervorgegangen, und an der Leols cls8 bautss stuäss, einer Centralstelle für seminaristische Studien nach deutschen! Vorbild, unter dem Ministerium Duruy geschaffen. Monod ist fünfzig Jahre alt.

In dem hier vorliegenden Buche hat er drei Schriftsteller behandelt, die man wohl seine Lieblinge nennen darf, und das mag zur Charakteristik des Geleisteten beitragen. Jeder dieser Essays ist vorher einzeln in einer Zeitschrift erschienen.

fl In dem Essay über Arthur Chuquet, Deutsche Rundschau, 1892, Bd VXXIII, S. 240 ff.