Literarische Notizen. 157
L<7. 1.6 traust Ü6 6«6t1l6 tiaäuit 6N tranyam itan8 16 instrs äs t'oiiqinut et suivant tes r6Ztk8 cts ln vorsitieatiou nlleinnnäs xar b'. 8 adatier. ?uri8, OelaZravo. 1893.
DievorderHand heillose politische Trennung der beiden ersten Kulturvölker Europa's ist das größte Unglück unserer Tage; um so lieber jede Brücke, die dem Einverständniß geschlagen wird. Auf den Gefilden der Dichtung und Literaturgeschichte wenigstens wachsen noch Oelbäume. Besonders um Goethe sind die Franzosen so eifrig und eindringlich bemüht, wie selbst in den zwanziger Jahren nicht. Kein Gefühl internationaler Höflichkeit, sondern die aufrichtigste Bewunderung läßt uns Hinweisen auf eineUeber- setzung, die nicht nur die denkbar beste dieses oft mißhandelten theuren Gedichts, sondern ein Meisterwerk der Dolmetschkunst überhaupt ist. Der Mann, der seine langjährige Werbung um den „Faust" erst als Greis auf einem französischen Schlosse beendet hat und dessen Lebenslauf uns hier kurz und schlicht — von seiner Tochter? — erzählt wird, hat nicht umsonst während der Gastspiele seiner ersten Gattin, der gefeierten Blad. Ungher-Sabatier, mit Tieck und Baudissin verkehrt und conferirt. Er befolgte die klarsten und richtigsten Principien. Natürlich: weder Prosa noch Alexandriner, sondern Nachbildung der Reimpaare ohne akademische Regeln, vielfach mit bewußter Gewalt gegen den französischen Sprachgebrauch. Goethe selbst hatte Etwas am Stil des alten Marot gewünscht. Die Schmiegsamkeit ist außerordentlich. Wie blank sind die Sentenzen geprägt! wie weich tönen die Verse an den Mond, wie übermüthig die Schüferstrophen, wie thränenerzwingend — mit einer Nachbildung Wort für Wort, die keine Spur von Anstrengung verräth — Gretchen's lyrische Monologe! Sabatier weiß genau, was er festhalten muß, was er allenfalls aufgeben darf. Gewiß ist nicht Alles adäquat, z. B. Lieschen als Lisette ohne die rechte gemeine Derbheit; in der „Walpurgisnacht" gibt es Unüberwindliches. Die Vorrede erzählt, Sabatier habe miteinzelnen Wendungenwie „am sausenden Webstuhl der Zeit" lang gerungen. Von diesem Ernst zeugen auch die besonders bezifferten 198 Seiten der Wort- und Sacherklärungen. Es handelt sich nur um den ersten Theil des „Faust": der deutsche Text steht links, die Uebersetzung rechts. Es wird Niemanden gereuen, solche Parallellectüre zu treiben und mancher auch inne werden, über wie Vieles man gewöhnlich hinwegliest.
La. Schiller's Sohn Ernst. Eine Briefsammlung mit Einleitung von Carl Schmidt. Paderborn, Schöningh. 1893.
Die Nachkommen Schiller's haben ihre Abstammung stets als einen höheren Adel angesehen und sich dessen gefreut, während die Goethe'schen Enkel niemals zum unbefangenen Stolz gelangten. Am anziehendsten ist uns in diesen nicht durchweg neuen Correspondenzen, die zahlreiche Einzelbeiträge zur elastischen Zeit Weimars liefern, die Gestalt der Wittwe Charlotte durch gesunde literarische Urtheile, reine Würdigung Goethe's, Herder's u. s. w., ein treues Weben im geistigen Vermächtniß ihres Schiller, ein erhöhtes Ro- KI6886 ot)IiZ6, eine schöne schlichte Menschlichkeit.
Sie bleibt sich immer gleich, mag es sich um Ernft's Weimarische Mißerfolge, um seine Teilnahme am Freiheitskrieg handeln oder um den Anschlag einer Berliner Jüdin, in die Familie Schiller und so in den belletristischen Ruhm hinein zu heirathen. Sie verliert nie den Maßstab für Goethe und schreibt noch theilnehmend über die häuslichen Wirren nach der Rückkehr aus Marienbad. Dagegen drängt Frau v. Wolzogen den Neffen einmal in eine blinde Hitze gegen Goethe hinein; überhaupt sind die breit gesponnenen Geldgeschäfte beim Druck des Schiller- Goethe'schen Briefwechsels überlästig. Aus der Juristenlaufbahn Ernft's in den Rheinlanden wird Interessantes mitgetheilt, aber auch sehr viel gleichgültiges Detail aus dem Privatleben, aus Gesellfchaften u. s. w. Das Buch gibt nebenher über die ganze Familie Auskunft. Sehr ungleich sind die Holzschnitte gerathen.
L<7. Briefe an Johanna Motherby von Wilhelm v. Humboldt und Ernst Moritz Arndt. Mit einer Biographie und Erläuterungen. Herausgegeben von Heinrich Meisner. Leipzig, Brockhaus. 1893.
Johanna Motherby war die Gattin eines angesehenen Königsberger Arztes; bis ins Alter eine heißblütige, aber auch geistig angeregte Frau. Wenn das beigefügte Porträt ähnlich ist, kann sie nicht schön gewesen sein. Viele Männer haben ihr gehuldigt. Wie leicht Humboldt trotz aller Liebe zu seiner „Li" Feuer fing, ist bekannt, und seine ganz überschwänglichen Blätter an Johanna geben nur ein leidiges Zeugniß mehr. Aber von einer neuen Seite erblickt man Arndt: auch dieser feste Mann zeigt sich geschüttelt vom sentimentalen Fieber, sinnlich erglühend, ohne daß es zum Aeußersten käme, schwärmerisch beredt gegen die geliebte „Furina" in einer lyrischen Prosa, die oft in Bildern luxurirt, tändelt, zerfließt. 1818 erklärt er, Genuß nur in Träumen und Spielen der Phantasie begehrt zu haben, und widmet sich männlich entschlossen dem Vaterlande. Doch geht ihm die Leidenschaft lange nach, bis seine segensreiche Ehe mit Nanna Schleiermacher der von „unserm Motherby" nicht beargwöhnten Schwärmerei ein Ziel setzt. Die Korrespondenz, nur von Arndt's Seite erhalten oder wenigstens bekannt, nimmt einen gelassenen Ton an. Johanna verläßt ihren Gatten; sie heirathet den jungen Diesfenbach. Als geschiedene Frau dieses berühmten Chirurgen ist sie gestorben. Das Büchlein ist ein echter Roman in Briefen. Dem Herausgeber, dem wir schon für manche andere Spende aus den Schätzen der Berliner Kgl. Bibliothek verpflichtet sind, danken wir reiche Erläuterungen. ^ 11ui1Inuin6 Ü6 üumbolttt 6t (s!nro1in6 cko üunilrolckt (N66 Ü6 Oaetierosäen). I^6ttr68 ä 06otk'roi86t)V6iA'1iüu86r. 1rnäuit68 6t a.nuot668 8ur 168 originaux InöflitL xur /I. I^g-Zuiunte. BerAer-l^vrÄuIt 6t 0i6., karw-isiune^. 1893.
Seit sich zu guter Stunde das Humboldt'sche Familien-Archiv erschlossen und jüngst die köstliche Publication „Gabriele v. Bülow, Tochter Wilhelm's v. Humboldt. Ein Lebensbild" das Licht des Tages erblickt hat, beginnen nun auch andere, lang verhaltene Quellen zur Lebens- und Geistesgeschichte des großen Einsiedlers von Schloß Tegel und seiner hochsinnigen Lebens-