Heft 
(1894) 81
Seite
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Literarische Notizen.

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gesehen; solche von anderen deutschen Stämmen aber behielt man ohne Bedenken, Tueiti 6or- inaniu 24); wie aber allmälig unter der Ein­wirkung der Zusammenstöße mit dem Ausland sich ein Nationalgefühl bildete und zur Schaffung einheitlicher Einrichtungen führte, und wie unter manchen Fehl- und Rückschlägen sich am Ende die politische Einigung der Nation vollzog. Das Schriftchen ist die reife Frucht einer langen Beschäftigung mit unserer Geschichte und einer langen praktischen Wirksamkeit im politischen Leben. Biedermann reicht damit unserem Volke sein eigenes politisches Testament dar^ die Summe ist, daß wir festhalten, was so herb erkämpft worden ist und nicht der neue Parti- cularismus der materiellen Sonderinteressen und der darauf fußenden Parteien das Einheitswerk bedrohe.

^ Deutsche Geschichte von der Urzeit bis zu den Karolingern. Von Oskar Gutfche und Walther Schultze. Stuttgart, I. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger. 1894.

Dieses Werk bildet den ersten Band der seit 1887 erscheinendenBibliothek deutscher Geschichte", von der mehrere Theile (Manitius über die Sachsen und Salier, Lindner über die Luxemburger und Habsburger, Egelhaaf über die Reformationszeit) bereits abgeschlossen vor­liegen, während von anderen Werken (Ritter über den dreißigjährigen Krieg, v. Zwiedineck-Süden- horst über die Zeit von 16481740, Koser über Friedrich den Großen) wenigstens die ersten Bände erschienen sind. Die Urzeit hatte ur­sprünglich Gymnasialprofessor Oskar Gutsche in Danzig übernommen; doch wurde er durch amt­liche und Gesundheitsrücksichten verhindert, das Werk zu Ende zu führen, weshalb für ihn von Seite 247480 Walther Schultze eintrat. Von Gutsche rührt sonach her die Schilderung der Urzeit und der indogermanischen Zustände, die des Kampfes zwischen Römern und Germanen und ein Theil des den inneren Zuständen ge­widmeten Capitels; Schultze hat dieses Capitel vollendet und die Geschichte der Entstehung ger­manischer Staaten am Mittelmeer dazugefügt. Er betrachtet die Angaben des Tacitus mit ein­gestandenem Mißtrauen und erwartet das Heil nicht vonseiner philologischen Auslegung, sondern nur von der vergleichenden germanischen Rechts­geschichte. In dieser hat er sich vielfach, aber stets mit selbständiger Prüfung, an die Ergeb­nisse I- Ficker's angeschlossen. Die staatsrecht­lichen Ausdrücke, die sich bei Tacitus finden, wie prinosps, nobilitas, deutet Schultze nach Analogie dessen, was diese Ausdrücke im da­maligen Rom besagten. Die Darstellung beider Verfasser ist inhaltlich tüchtig, formell sehr an­sprechend; wir glauben, daß der ansehnliche und doch nicht unhandliche Band viele dankbare Leser finden wird. In einem zweiten Bande soll die Zeit der Merowinger zur Darstellung gelangen. Von Literaturnachweisen ist in diesem Theil derBibliothek deutscher Geschichte" so gut wie gänzlich abgesehen; wir glauben, daß es den Lesern erwünscht wäre, wenn dieser Grundsatz im zweiten Theil verlassen würde. Solche umfangreichen Werke lesen doch nur

ernste Freunde der Geschichte, und sie verlangen wenigstens die wichtigsten literarischen Nachweise. Die Würzburger Hilfstruppen im Dienste Oesterreichs 1756-1763. Nach archivalischen Quellen von L. Freiherrn v. Thüna. Würzburg, Ad. Stüber. 1893.

Am 7. August 1756, nur drei Wochen vor dem Einmarsch des preußischen Heeres in Sachsen, schrieb der österreichische Staatskanzler Graf von Kaunitz an den Würzburger Bischof Adam Friedrich (geb. Grafen von Seinsheim), daß deutschpatriotisch Denkende, auf ihre eigene Er­haltung wie auch aus die Sicherung der Re­ligion zurücksehende (!) Reichsstände sich an Oesterreich anschließen müßten, um das drohende Unheil abwenden zu helfen. Wie sehr diese Auf­fassung der deutschen Lage dem Sinne Sr. Hoch- fürstl. Gnaden entsprach, zeigte der von ihm so­fort vollzogene Bruch mit England, dem er noch am 6. September 1755 drei Bataillone Fußvolk vermiethet hatte, und der am 16. September 1756 mit Oesterreich abgeschlossene Vertrag, laut dessen Adam Friedrich dem durchlauch­tigsten Erzhause zwei Regimenter zu Fuß auf zwei Jahre überließ. Sonach war der Bischof wie er ein Vorgänger jener mit Recht viel­geschmähten deutschen Fürsten war, welche den Engländern im Kampf gegen die Amerikaner ihre Landeskinder vermietheten so der erste Reichsfürst, der aus freien Stücken sich an die Seite Maria Theresia's gegen Friedrich den Großen stellte. Die beiden Würzburgischen Re­gimenter wurden nach ihrer Uniform als das blaue und das rothe unterschieden. Das eine Regiment stellte Adam Friedrich auf seine eigenen Kosten auf; für das andere bekam er vierzig Gulden pro Mann, sowohl für die gegen­wärtigen Soldaten, wie für die künftig als Er­satz einzustellenden Rekruten. Nach Ablauf des Vertrages wurde er mehrfach erneuert, sodaß die beiden (übrigens getrennten) Regimenter den ganzen siebenjährigen Krieg, vor allem die Schlachten bei Roßbach, Hochkirch, Maxen und Freiberg, mitmachten. Im blauen Regiment diente ein Hauptmann von Thüna, und durch diese persönliche Beziehung ist unser Verfasser zu dem Material seiner Schrift gelangt. Diese ist mit Fleiß, Pünktlichkeit, Umsicht und gutem Urtheil geschrieben und enthält eine Reihe schätzenswerther Beiträge zur Kenntniß des sieben­jährigen Krieges. Die Würzburger vom blauen Regiment benahmen sich namentlich in evan­gelischen Gegenden und solche waren fast ausschließlich der Kriegsschauplatz so zucht­los, daß man an die Zeiten des dreißigjährigen Krieges sich erinnert fühlt; doch hielten sie sich bei Roßbach nicht schlecht und brachten auch ihre vier Kanonen aus der Schlacht zurück, obwohl die Zugpferde theils erschossen, theils gefangen wurden. Freiherr von Thüna behandelt vor Allem die Schicksale des blauen Regiments, was sich aus dem persönlichen Ausgangspunkt seiner Studien erklärt. Die Geschichte des rothen Regiments (das übrigens 1761 mit dem blauen zu einem einzigen von drei Bataillonen zusammengelegt wurde) wird sehr viel kürzer behandelt, immerhin aber so, daß das Wesent­liche ersichtlich wird.