Effi Briest.
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Johanna, bitte, geben Sie mir noch das kleine Tuch und tupfen Sie mir die Stirn. Oder nehmen Sie lieber den Rafraicheur aus meiner Reisetasche . . . Ach, das ist schön und erfrischt mich. Nun werde ich hinübergehen. Er ist doch noch da, oder war er schon aus?"
„Der gnäd'ge Herr war schon aus, ich glaube drüben auf dem Amt. Aber seit einer Viertelstunde ist er zurück. Ich werde Friedrich sagen, daß er das Frühstück bringt."
Und damit verließ Johanna das Zimmer, während Effi noch einen Blick in den Spiegel that und dann über den Flur fort, der bei der Tagesbeleuchtung viel von seinem Zauber vom Abend vorher eingebüßt hatte, bei Geert rintrat.
Dieser saß an seinem Schreibtisch, einem etwas schwerfälligen Cylinder- bureau, das er aber, als Erbstück aus dem elterlichen Hause, nicht missen mochte. Effi stand hinter ihm und umarmte und küßte ihn, noch eh' er sich von seinem Platz erheben konnte.
„Schon?"
„Schon, sagst Du. Natürlich um mich zu verspotten."
Jnnstetten schüttelte den Kopf. „Wie werd' ich das?" Effi fand aber ein Gefallen daran, sich anzuklagen, und wollte von den Versicherungen ihres Mannes, daß sein „schon" ganz aufrichtig gemeint gewesen sei, nichts hören. „Du mußt noch von der Reise her wissen, daß ich Morgens nie habe warten lassen. Im Laufe des Tages, nun ja, da ist es etwas Anderes. Es ist Wahr, ich bin nicht sehr pünktlich, aber ich bin keine Langschläserin. Darin, denk' ich, haben mich die Eltern gut erzogen."
„Darin? In Allem, meine süße Effi."
„Das sagst Du so, weil wir noch in den Flitterwochen sind, . . . aber nein, wir sind ja schon heraus. Ums Himmels willen, Geert, daran habe ich noch gar nicht gedacht, wir sind ja schon über sechs Wochen verheirathet, sechs Wochen und einen Tag. Ja, das ist etwas Anderes; da nehme ich es nicht mehr als Schmeichelei, da nehme ich es als Wahrheit."
In diesem Augenblicke trat Friedrich ein und brachte den Kaffee. Der Frühstückstisch stand in Schräglinie vor einem kleinen rechtwinkligen Sopha, das gerade die eine Ecke des Wohnzimmers ausfüllte. Hier setzten sich beide.
„Der Kaffee ist ja vorzüglich," sagte Effi, während sie zugleich das Zimmer und seine Einrichtung musterte. „Das ist noch Hotel-Kaffee oder wie der bei Bottegone, . . . erinnerst Du Dich noch, in Florenz, mit dem Blick auf den Dom. Davon muß ich der Mama schreiben, solchen Kaffee haben wir in Hohen-Cremmen nicht. Ueberhaupt, Geert, ich sehe nun erst, wie vornehm ich mich verheirathet habe. Bei uns konnte Alles nur so gerade passiren."
„Thorheit, Effi, ich habe nie eine bessere Hausführung gesehen als bei Euch."
„Und dann, wie Du wohnst. Als Papa sich den neuen Gewehrschrank angeschafft und über seinem Schreibtisch einen Büffelkopf und dicht darunter den alten Wrangel angebracht hatte (er war nämlich 'mal Adjutant bei dem
Alten), da dacht'er Wunder, was er gethan; aber wenn ich mich hier umsehe,
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