Heft 
(1894) 81
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Deutsche Rundschau.

daneben ist unsre ganze Hohen-Cremmener Herrlichkeit ja bloß dürftig und alltäglich. Ich weiß gar nicht, womit ich das Alles vergleichen soll; schon gestern Abend, als ich nur so flüchtig darüber hinsah, kamen mir allerhand Gedanken."

lind welche, wenn ich fragen darf?"

Ja, welche. Du darfst aber nicht d'rüber lachen. Ich habe 'mal ein Bilderbuch gehabt, Wo ein persischer oder indischer Fürst (denn er trug einen Turban) mit untergeschlagenen Beinen auf einem rothen Seidenkissen saß. und in seinem Rücken war außerdem noch eine große rothe Seidenrolle, die links und rechts ganz bauschig zum Vorschein kam. und die Wand hinter dem indischen Fürsten starrte von Schwertern und Dolchen und Parderfellen und Schilden und langen türkischen Flinten. Und sieh, ganz so sieht es hier bei Dir aus, und wenn Du noch die Beine unterschlägst, ist die Aehnlichkeit vollkommen."

Efsi, Du bist ein entzückendes, liebes Geschöpf. Du weißt gar nicht, wie sehr ich's finde und wie gern ich Dir in jedem Augenblicke zeigen möchte, daß ich's finde."

Nun, dazu ist ja noch vollauf Zeit; ich bin ja erst siebzehn und habe noch nicht vor. zu sterben."

Wenigstens nicht vor mir. Freilich, wenn ich dann stürbe, nähme ich Dich am Liebsten mit. Ich will Dich keinem Andern lassen; was meinst Du dazu?"

Das muß ich mir doch noch überlegen. Oder lieber, lassen wir's über­haupt. Ich spreche nicht gern von Tod, ich bin für Leben. Und nun sage mir, wie leben wir hier? Du hast mir unterwegs allerlei Sonderbares von Stadt und Land erzählt, aber wie wir selber hier leben werden, davon kein Wort. Daß hier Alles anders ist, als in Hohen-Cremmen und Schwantikow, das seh' ich wohl, aber wir müssen doch in demguten Kessin", wie Du's immer nennst, auch etwas wie Umgang und Gesellschaft haben können. Habt Ihr denn Leute von Familie in der Stadt?"

Nein, meine liebe Esfi; nach dieser Seite hin gehst Du großen Enttäu­schungen entgegen. In der Nähe haben wir ein paar Adlige, die Du kennen

lernen wirst, aber hier in der Stadt ist gar nichts."

Gar nichts? das kann ich nicht glauben. Ihr seid doch bis zu drei­tausend Menschen, und unter dreitausend Menschen muß es doch außer so

kleinen Leuten wie Barbier Beza (so hieß er ja Wohl) doch auch noch eine Elite geben, Honoratioren oder dergleichen."

Jnnstetten lachte.Ja, Honoratioren, die gibt es. Aber bei Lichte be­sehen, ist es nicht viel damit. Natürlich haben wir einen Prediger und einen Amtsrichter und einen Rector und einen Lootsencommandeur, und von solchen beamteten Leuten findet sich schließlich Wohl ein ganzes Dutzend zusammen, aber die meisten davon: gute Menschen und schlechte Musikanten. Und was dann noch bleibt, das sind bloß Konsuln."

Bloß Consuln. Ich bitte Dich, Geert, wie kannst Du nur sagenbloß Consuln". Das ist doch etwas sehr Hohes und Großes, und ich möchte bei-