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Deutsche Rundschau.
Weiß/' und er verneigte sich gegen Effi, „was ich deutschen Frauen schuldig bin. Um Vergebung, meine Gnädigste, daß ich diese Dinge vor Ihren Ohren überhaupt berührt habe."
So war die Unterhaltung gegangen, nachdem man vorher von Wahl, Nobiling und Raps gesprochen hatte, und nun saßen Junstetten und Effi wieder daheim und plauderten noch eine halbe Stunde. Die beiden Mädchen im Hause waren schon zu Bett, denn es war nah' an Mitternacht.
Jnnstetten, in kurzem Hausrock und Saffianschuheu, ging auf und ab; Effi war noch in ihrer Gesellschaststoilette; Fächer und Handschuhe lagen neben ihr.
.Ja," sagte Jnnstetten, während er sein Aus- und Abschreiten im Zimmer unterbrach, „diesen Tag müßten Wir nun Wohl eigentlich feiern, und ich weiß nur noch nicht womit. Soll ich Dir einen Siegesmarsch Vorspielen oder den Haifisch draußen in Bewegung setzen oder Dich im Triumph über den Flur tragen? Etwas muß doch geschehen, denn Du mußt wissen, das war nun heute die letzte Visite."
„Gott sei Dank, war sie's," sagte Effi. „Aber das Gefühl, daß wir nun Ruhe haben, ist, denk' ich, gerade Feier genug. Nur einen Kuß könntest Du mir geben. Aber daran denkst Du nicht. Aus dem ganzen weiten Wege nicht gerührt, frostig wie ein Schneemann. Und immer nur die Cigarre."
„Laß, ich werde mich schon bessern und will vorläufig nur wissen, wie stehst Du zu dieser ganzen Umgangs- und Verkehrssrage? Fühlst Du Dich zu dem Einen oder Andern hingezogen? Haben die Borckes die Grasenabb's geschlagen, oder umgekehrt, oder hältst Du's mit dem alten Güldenklee? Was er da über die Eugenie sagte, machte doch einen sehr edlen und reinen Eindruck."
„Ei, sich, Herr von Jnnstetten, auch medisant! Ich lerne Sie von einer ganz neuen Seite kennen."
„Und wenn's unser Adel nicht thut," fuhr Jnnstetten fort, ohne sich stören zu lassen „wie stehst Du zu den Kessiner Stadthonoratioren? wie stehst Tu zur Ressource? Daran hängt doch am Ende Leben und Sterben. Ich habe Dich da neulich mit unserem reserveleutnantlichen Amtsrichter sprechen sehen, einem zierlichen Männchen, mit dem sich vielleicht durchkommen ließe, wenn er nur endlich von der Vorstellung los könnte, die Wiedereroberung von Le Bourget durch sein Erscheinen in der Flanke zu Stande gebracht zu haben. Und seine Frau! sie gilt als die beste Vostonspielerin und hat auch die hübschesten Anlegemarken. Also nochmals, Effi, wie wird es werden in Kessin? Wirst Du Dich einleben? Wirst Du populär werden und mir die Majorität sichern, wenn ich in den Reichstag will? Oder bist Du für Einsiedlerthum, für Abschluß von der Kessiner Menschheit, so Stadt wie Land?"
„Ich werde mich Wohl für Einsiedlerthum entschließen, wenn mich die Mohrenapotheke nicht herausreißt. Bei Sidonie werd' ich dadurch freilich noch etwas tiefer sinken, aber darauf muß ich es ankommen lassen; dieser Kamps muß eben gekämpft werden. Ich steh' und falle mit Gieshübler. Es klingt etwas komisch, aber er ist wirklich der Einzige, mit dem sich ein Wort reden läßt, der einzige, richtige Mensch hier."