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Deutsche Rundschau.
Aller Unmuth auf Efsi's Antlitz war sofort verschwunden; schon bloß Gieshübler's Namen zu hören, that Esst Wohl, und ihr Wohlgesühl steigerte sich, als sie jetzt den Brief musterte. Zunächst war es gar kein Brief, sondern ein Billet, die Adresse „Frau Baronin von Jnnstetten, geb. von Briest" in wundervoller Kanzleihandschrift, und statt des Siegels ein ausgeklebtes rundes Bildchen, eine Lyra, darin ein Stab steckte. Dieser Stab konnte aber auch ein Pfeil sein. Sie reichte das Billet ihrem Manne, der es ebenfalls bewunderte.
„Nun lies aber."
Und nun löste Effi die Oblate und las: „Hochverehrteste Frau, gnädigste Frau Baronin! Gestatten Sie mir, meinem respectvollsten Vormittagsgruß eine ganz gehorsamste Bitte hinzufügen zu dürfen. Mit dem Mittagszuge wird eine vieljährige liebe Freundin von mir, eine Tochter unserer guten Stadt Kessin, Fräulein Marietta Trippelli, hier eintreffen und bis morgen früh unter uns weilen. Am 17. will sie in Petersburg sein, um daselbst bis Mitte Januar zu concertiren. Fürst Kotschukoff öffnet ihr auch diesmal wieder sein gastliches Haus. In ihrer immer gleichen Güte gegen mich, hat die Trippelli mir zugesagt, den heutigen Abend bei mir zubringen und einige Lieder ganz nach meiner Wahl (denn sie kennt keine Schwierigkeiten) vortragen zu wollen. Könnten sich Frau Baronin dazu verstehen, diesem Musikabende Leizuwohnen? sieben Uhr. Ihr Herr Gemahl, auf dessen Erscheinen ich mit Sicherheit rechne, wird meine gehorsamste Bitte unterstützen. Anwesend nur Pastor Lindequist (der begleitet) und natürlich die verwittwete Frau Pastorin Trippel. In vorzüglicher Ergebenheit A. Gieshübler."
„Nun —" sagte Jnnstetten, „ja oder nein?"
„Natürlich ja. Das wird mich Herausreißen. Und dann kann ich doch meinem lieben Gieshübler nicht gleich bei seiner ersten Einladung einen Korb geben."
„Einverstanden. Also Friedrich, sagen Sie Mirambo, der doch Wohl das Billet gebracht haben wird, wir würden die Ehre haben."
Friedrich ging. Als er fort war, fragte Esst: „Wer ist Mirambo?"
„Der echte Mirambo ist Räuberhauptmann in Afrika . . . Tanganika- See, wenn Deine Geographie so weit reicht . . . unserer aber ist bloß Gieshübler's Kohlenprovisor und Factotum und wird heute Abend in Frack und baumwollenen Handschuhen sehr wahrscheinlich auswarten."
Es war ganz ersichtlich, daß der kleine Zwischenfall aus Effi günstig eingewirkt und ihr ein gut Theil ihrer Leichtlebigkeit zurückgegeben hatte, Jnnstetten aber wollte das Seine thun, diese Reconvalescenz zu steigern. „Ich freue mich, daß Du ja gesagt hast und so rasch und ohne Besinnen, und nun möcht' ich Dir noch einen Vorschlag machen, um Dich ganz wieder in Ordnung zu bringen. Ich sehe Wohl, es schleicht Dir noch von der Nacht her Etwas nach, das zu meiner Effi nicht paßt, das durchaus wieder fort muß, und dazu gibt es nichts Besseres als frische Luft. Das Wetter ist prachtvoll, frisch und milde zugleich, kaum daß ein Lüftchen geht; was meinst Du, wenn wir eine Spazierfahrt machten, aber eine lange, nicht bloß so durch die Plantage hin.