Effi Briest.
183
und natürlich im Schlitten und das Geläut auf und die Weißen Schneedecken, und Wenn Wir dann um Vier zurück sind, dann ruhst Du Dich aus, und um Sieben sind wir bei Gieshübler und hören die Trippelli."
Efsi nahm seine Hand. ..Wie gut Du bist, Geert, und wie nachsichtig. Denn ich muß Dir ja kindisch oder doch wenigstens sehr kindlich vorgekommen sein; erst das mit meiner Angst und dann hinterher, daß ich Dir einen Haus- verkaus, und was noch schlimmer ist, das mit dem Fürsten ansinne. Du sollst ihm den Stuhl vor die Thür setzen — es ist zum Lachen. Denn schließlich ist er doch der Mann, der über uns entscheidet. Auch über mich. Du glaubst gar nicht, wie ehrgeizig ich bin. Ich habe Dich eigentlich bloß aus Ehrgeiz geheirathet. Aber Du mußt nicht solch' ernstes Gesicht dabei machen. Ich liebe Dich ja . . . wie heißt es doch, wenn man einen Zweig abbricht und die Blätter abreißt? Von Herzen, mit Schmerzen, über alle Maßen."
Und sie lachte hell aus. „Und nun sage mir," fuhr sie fort, als Jnnstetten noch immer schwieg, „wo soll es hingehen?"
„Ich habe mir gedacht, nach der Bahnstation, aber auf einem Umwege, und dann aus der Chaussee zurück. Und auf der Station essen wir oder noch besser bei Golchowski, in dem Gasthofe „Zum Fürsten Bismarck", dran wir, wie Du Dich vielleicht erinnerst, am Tage unserer Ankunft vorüber kamen. Solch' Vorsprechen wirkt immer gut, und ich habe dann mit dem Starosten von Effi's Gnaden ein Wahlgespräch, und wenn er auch persönlich nicht viel taugt, seine Wirtschaft hält er in Ordnung und seine Küche noch besser. Auf Essen und Trinken verstehen sich die Leute hier."
Es war gegen Elf, daß sie dies Gespräch führten. Um Zwölf hielt Kruse mit dem Schlitten vor der Thür, und Esst stieg ein. Johanna wollte Fußsack und Pelze bringen, aber Effi hatte nach Allem, was noch aus ihr lag, so sehr das Bedürfniß nach frischer Luft, daß sie Alles zurückwies und nur eine doppelte Decke nahm. Jnnstetten aber sagte zu Kruse: „Kruse, wir wollen nun also nach dem Bahnhof, wo wir zwei beide heute früh schon 'mal waren. Die Leute werden sich Wundern, aber es schadet nichts. Ich denke, wir fahren hier an der Plantage lang und dann links auf den Kroschentiner Kirchthnrm zu. Lassen Sie die Pferde laufen. Um Eins müssen wir am Bahnhof sein."
Und so ging die Fahrt, lieber den Weißen Dächern der Stadt stand der Rauch, denn die Luftbewegung war gering. Auch Utpatel's Mühle drehte sich nur langsam, und im Fluge fuhren sie daran vorüber, dicht am Kirchhofe hin, dessen Berberitzensträucher über das Gitter hinaus wuchsen und mit ihren Spitzen Effi streiften, so daß der Schnee aus ihre Reisedecke fiel. An der anderen Seite des Wegs war ein eingesriedeter Platz, nicht viel größer als ein Gartenbeet, und innerhalb nichts sichtbar als eine junge Kiefer, die mitten daraus hervorragte.
„Liegt da auch wer begraben?" fragte Effi.
„Ja. Der Chinese."
Effi fuhr zusammen; es war ihr wie ein Stich. Aber sie hatte doch Kraft genug, sich zu beherrschen und fragte mit anscheinender Ruhe: „Unserer?"