Heft 
(1894) 81
Seite
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Deutsche Rundschau.

Ja, unserer. Auf dem Gemeindekirchhof war er natürlich nicht unterzu­bringen, und da hat denn Capitän Thomsen, der so 'was wie fein Freund war, diese Stelle gekauft und ihn hier begraben lassen. Es ist auch ein Stein da mit Inschrift. Alles natürlich vor meiner Zeit. Aber es wird noch immer davon gesprochen."

Also es ist doch 'was damit. Eine Geschichte. Du sagtest schon heute früh so 'was. Und es wird am Ende das Beste sein, ich höre, was es ist. So lang' ich es nicht weiß, bin ich, trotz aller guten Vorsätze, doch immer ein Opfer meiner Vorstellungen. Erzähle mir das Wirkliche. Die Wirklichkeit kann mich nicht so quälen wie meine Phantasie."

Bravo, Effi. Ich wollte nicht davon sprechen. Aber nun macht es sich so von selbst, und das ist gut. Uebrigens ist es eigentlich gar nichts."

Mir gleich; gar nichts oder viel oder wenig. Fange nur an."

Ja, das ist leicht gesagt. Der Anfang ist immer das Schwerste, auch bei Geschichten. Nun, ich denke, ich beginne mit Capitän Thomsen."

Gut, gut."

Also Thomsen, den ich Dir schon genannt habe, war viele Jahre lang ein sogenannter Chinafahrer, immer mit Reisfracht zwischen Shanghai und Singapore und mochte Wohl schon Sechzig sein, als er hier ankam. Ich weiß nicht, ob er hier geboren war oder ob er andere Beziehungen hier hatte. Kurz und gut, er war nun da und verlauste sein Schiff, einen alten Kasten, draus er nicht viel heraus schlug und kaufte sich ein Haus, dasselbe, drin wir jetzt wohnen. Denn er war draußen in der Welt ein vermögender Mann geworden. Und von daher schreibt sich auch das Krokodil und der Haifisch, und natürlich auch das Schiff . . . Also Thomsen war nun da, ein sehr adretter Mann (so wenigstens hat man mir gesagt) und Wohl gelitten. Auch beim Bürgermeister Kirstein, und vor Allem bei dem damaligen Pastor in Kessin, einem Berliner, der kurz vor Thomsen auch hierher gekommen war und viel Anfeindung hatte."

Glaub' ich. Ich merke das auch; sie sind hier so streng und selbstgerecht. Ich glaube, das ist Pommersch."

Ja und nein, je nachdem. Es gibt auch Gegenden, wo sie gar nicht streng sind und wo's drunter und drüber geht . . . Aber sieh' nur, Effi, da haben wir gerade den Kroschentiner Kirchthurm dicht vor uns. Wollen wir nicht den Bahnhof aufgeben und lieber bei der alten Frau von Grasenabb Vorfahren? Sidonie, wenn ich recht berichtet bin, ist nicht zu Hause. Wir konnten es also wagen . .

Ich bitte Dich, Geert, wo denkst Du hin? Es ist ja himmlisch, so hinzufliegen, und ich fühle ordentlich, wie mir so frei wird und wie alle Angst von mir absällt. Und nun soll ich das Alles aufgeben, bloß um den alten Leuten eine Stippvisite zu machen und ihnen sehr wahrscheinlich eine Verlegen­heit zu schaffen. Um Gotteswillen nicht. Und dann will ich vor Allem auch die Geschichte hören. Also wir waren bei Capitän Thomsen, den ich mir als einen Dänen oder Engländer denke, sehr sauber, mit Weißen Vatermördern und ganz weißer Wäsche . . ."