Heft 
(1894) 81
Seite
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meisten russischen Fürsten, wenn sie Kunst treiben, fallen ein bißchen nach der geistlichen oder orthodoxen Seite hin, und zu den vielen Dingen, von denen er nichts versteht, gehören auch unbedingt Einrichtungs- und Tapezierfragen. Er ist gerade vornehm genug, um sich Alles als schön aufreden zu lassen, was bunt aussieht und viel Geld kostet."

Jnnstetten amüsirte sich, und Pastor Lindequist war in einem allersicht­lichsten Behagen. Die gute alte Trippel aber gerieth über den nngenirten Ton ihrer Tochter aus einer Verlegenheit in die andere, während Gieshübler es für angezeigt hielt, eine so schwierig werdende Unterhaltung zu coupiren. Dazu waren etliche Gesangspiecen das Beste. Daß Marietta Lieder von an­fechtbarem Inhalt wählen würde, war nicht anzunehmen, und selbst wenn dies sein sollte, so war ihre Vortragskunst so groß, daß der Inhalt dadurch ge­adelt wurde.Liebe Marietta," nahm er also das Wort,ich habe unser kleines Mahl zu acht Uhr bestellt. Wir hätten also noch dreiviertel Stunden, wenn Sie nicht vielleicht vorziehen, während Tisch ein heitres Lied zu singen oder vielleicht erst, wenn wir von Tisch ausgestanden sind . . ."

Ich bitte Sie, Gieshübler! Sie, der Mann der Aesthetik. Es gibt nichts Unästhetischeres, als einen Gesangsvortrag mit vollem Magen. Außer­dem und ich weiß, Sie sind ein Mann der ausgesuchten Küche, ja, Gour- mand außerdem schmeckt es besser, wenn man die Sache hinter sich hat. Erst Kunst und dann Nußeis, das ist die richtige Reihenfolge."

Also ich darf Ihnen die Noten bringen, Marietta?"

Noten bringen. Ja was heißt das, Gieshübler? Wie ich Sie kenne, werden Sie ganze Schränke voll Noten haben, und ich kann Ihnen doch nicht den ganzen Bock und Bote Vorspielen. Noten! Was für Noten, Gieshübler, darauf kommt es an. Und dann das es richtig liegt, Altstimme. . ."

Nun ich werde schon bringen."

Und er machte sich an einem Schranke zu schaffen, ein Fach nach dem andern herausziehend, während die Trippelli ihren Stuhl weiter links um den Tisch herum schob, so daß sie nun dicht neben Effi saß.

Ich bin neugierig, was er bringen wird," sagte sie. Effi gerieth dabei in eine kleine Verlegenheit.

Ich möchte annehmen," antwortete sie besangen,Etwas von Gluck, etwas ausgesprochen Dramatisches . . . Ueberhaupt, mein gnädigstes Fräulein, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, ich bin überrascht, zu hören, daß Sie lediglich Concertsängerin sind. Ich dächte, daß Sie, wie wenige, für die Bühne berufen sein müßten. Ihre Erscheinung, Ihre Kraft, Ihr Organ. . . ich habe noch so wenig derart kennen gelernt, immer nur auf kurzen Besuchen in Berlin . . . und dann war ich noch ein halbes Kind. Aber ich dächte Orpheus oder Chrimhild oder die Vestalin."

Die Trippelli wiegte den Kopf und sah in Abgründe, kam aber zu keiner Ent­gegnung, weil eben jetzt Gieshübler wieder erschien und ein halbes Dutzend Notenheste vorlegte, die seine Freundin in rascher Reihenfolge durch die Hand gleiten ließ.Erlkönig" ... ah, bah;Bächlein laß' dein Rauschen sein . . ." Aber Gieshübler, ich bitte Sie, Sie sind ein Murmelthier, Sie haben sieben